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Himmel Der Zauber
Morgan Rice


Ring der Zauberei #9
In HIMMEL DER ZAUBER (Band #9 im Ring der Zauberei) findet Thorgrin endlich zu sich selbst zurück und muss sich ein für alle Mal seinem Vater stellen. Ein epischer Kampf entbrennt, als sich zwei Titanen gegenüberstehen und Rafi nutzt seine Kräfte um die Armee der Untoten zur Hilfe zu rufen. Nachdem das Schwert des Schicksals zerstört wurde und das Schicksal des Rings auf dem Spiel steht, müssen Argon und Alistair all ihre magischen Kräfte heraufbeschwören, um Gwendolyns mutigen Kriegern zu helfen. Doch selbst mit ihrer Hilfe wäre beinahe alles verloren, wenn nicht etwas Unerwartetes geschehen würde. Luanda kämpft gegen ihren Entführer Romulus die Oberhand zu gewinnen, als das Schicksal des Rings auf dem Spiel steht. Währenddessen kämpft Reece damit, mit Seleses Hilfe die Männer wieder aus dem Canyon herauszuführen, und ihre Liebe wird stärker. Gwendolyn bekommt die Gelegenheit, persönliche Rache an McCloud zu nehmen; Es gibt einen guten Grund zu feiern, als der Ring seine Rache am Empire nimmt. Und als die neue Königen des Rings, verwendet Gwen ihre Macht dazu, die MacGils und die McClouds zum ersten Mal in der Geschichte zu vereinen um die gewaltige Aufgabe in angriff zu nehmen das Land, die Armee, die Silver, die Legion und Kings Court wieder aufzubauen. Gwen wird versuchen, die Stadt ihres Vaters noch glorreicher zu gestalten, als er es sich je erträumt hatte, und währenddessen wird sie Gerechtigkeit suchen und ihren Bruder Gareth zur Rechenschaft ziehen.





Morgan Rice

HIMMELВ В  DERВ В  ZAUBER (Band #9 IM RING DER ZAUBEREI)




Ausgewählte Kommentare zu Morgan Rices Büchern

“DER RING DER ZAUBEREI hat alle Zutaten die für sofortigen Erfolg nötig sind: Anschläge und Gegenanschläge, Mysterien, Edle Ritter und blühende Beziehungen die sich mit gebrochenen Herzen, Täuschung und Betrug abwechseln. Die Geschichten werden sie über Stunden in ihrem Bann halten und sind für alle Altersstufen geeignet. Eine wunderbare Ergänzung für das Bücherregal eines jeden Liebhabers von Fantasy Geschichten.”

–-Books and Movie Reviews, Roberto Mattos



“Rice hat das Talent den Leser von der ersten Seite an in die Geschichte hineinzusaugen. Mit ihrer malerischen Sprache gelingt es ihr ein mehr als nur ein Bild zu malen – es läuft ein Film vor dem inneren Auge ab. Gut geschrieben und von wahnsinnig schnellem Erzähltempo.”

–-Black Lagoon Reviews (zu Verwandelt)



“Eine ideale Geschichte für junge Leser. Morgan Rice hat gute Arbeit beim Schreiben einer interessanten Wendung geleistet. Erfrischend und einzigartig, mit klassischen Elementen, die in vielen übersinnlichen Geschichten für junge Erwachsene zu finden sind. Leicht zu lesen, aber von extrem schnellem Erzähltempo… Empfehlenswert für alle, die übernatürliche Romanzen mögen.”

–-The Romance Reviews (zu Verwandelt)



“Es packte meine Aufmerksamkeit von Anfang an und ließ nicht los…. Diese Geschichte ist ein erstaunliches Abenteuer voll rasanter Action ab der ersten Seite. Es gab nicht eine langweilige Seite.”

–-Paranormal Romance Guild (zu Verwandelt)



“Voll gepackt mit Aktion, Romantik, Abenteuer und Spannung. Wer dieses Buch in die Hände bekommt wird sich neu verlieben.”

–-vampirebooksite.com (zu Verwandelt)



“Eine großartige Geschichte. Dieses Buch ist eines von der Art, das man auch nachts nicht beiseite legen möchte. Das Ende war ein derart spannender Cliffhanger, dass man sofort das nächste Buch kaufen möchte um zu sehen, was passiert.“

–-The Dallas Examiner (zu Geliebt)

“Ein Buch das den Vergleich mit TWILIGHT und den VAMPIRE DIARIES nicht scheuen muss. Eines, das Sie dazu verleiten wird, ununterbrochen Seite um Seite bis zum Ende zu lesen! Wer Abenteuer, Liebesgeschichten und Vampire gerne mag, für den ist dieses Buch genau das Richtige!”

–-Vampirebooksite.com (zu Verwandelt)



“Morgan Rice hat sich wieder einmal als extreme talentierte Geschichtenerzählern unter Beweis gestellt… Dieses Buch spricht ein breites Publikum an, auch die jüngeren Fans des Vampir/Fantasy-Genres. Es endet mit einem unerwarteten Cliffhanger der den Leser geschockt zurücklässt.

–-The Romance Reviews (zu Geliebt)



Гњber Morgan Rice

Morgan Rice schrieb die Nr. 1 Bestseller Serie DER WEG DER VAMPIRE, eine elfteilige Serie fГјr junge Leser. Ihrer Feder entstammt auch die Nr. 1 Bestseller Serie TRILOGIE DES ГњBERLEBENS, eine post-apokalyptischer Thriller-Serie aus derzeit zwei BГјchern (man darf auf das Dritte gespannt sein) und die epische Fantasy-Serie DER RING DER ZAUBEREI, das derzeit aus dreizehn BГјchern besteht und die Bestsellerlisten anfГјhrt.

Morgans Bücher gibt es als Audio oder Print-Editionen die in vielen Sprachen erschienen sind: Deutsch, Französisch, Italienisch, Spanisch, Portugiesisch, Japanisch, Chinesisch, Schwedisch, Holländisch, Türkisch, Ungarisch, Tschechisch und Slowakisch – mehr Sprachen werden folgen.

Morgan freut sich, von ihren Lesern zu hören, darum besuchen Sie bitte www.morganricebooks.com (http://www.morganricebooks.com/) um sich für Email-Updates zu registrieren. Erhalten sie ein kostenloses Buch, Geschenke, laden sie die kostenlose App herunter und erhalten sie exklusiv die neusten Nachrichten. Oder folgen Sie Morgan auf Facebook und Twitter. Morgan freut sich auf Ihren Besuch!




BГјcher von Morgan Rice




DER RING DER ZAUBEREI


QUESTE DER HELDEN (Band #1)


MARSCH DER KГ–NIGE (Band #2)


LOS DER DRACHEN (Band #3)


RUF NACH EHRE (Band #4)


SCHWUR DES RUHMS (Band #5)


ANGRIFF DER TAPFERKEIT(Band #6)


A RITE OF SWORDS – RITUS DER SCHWERTER (Band #7)


A GRANT OF ARMS – GEWÄHR DER WAFFEN (Band #8)


A SKY OF SPELLS – HIMMEL DER ZAUBER (Band #9)


demnächst auf Deutsch erhältlich


A SEA OF SHIELDS – MEER DER SCHILDE (Band #10)


A REIGN OF STEEL – REGENTSCHAFT DES STAHLS (Band #11)


A LAND OF FIRE – LAND DES FEUERS (BAND #12)


A RULE OF QUEENS – DIE HERRSCHAFT DER KÖNIGINNEN (BAND #13)




DIE TRILOGIE DES ГњBERLEBENS


ARENA EINS: DIE SKLAVENTREIBER (BAND #1)


demnächst auf Deutsch erhältlich


ARENA TWO –  ARENA ZWEI (Band #2)




DER WEG DER VAMPIRE


GEWANDELT (Band #1 Der Weg Der Vampire)


VERGГ–TTERT (Band #2 Der Weg Der Vampire)


VERRATEN (Band #3 Der Weg Der Vampire)


BESTIMMT (Band #4 Der Weg Der Vampire)


BEGEHRT (Band #5 Der Weg Der Vampire)


demnächst auf Deutsch erhältlich


BETROTHED – VERMÄHLT (Band #6)


VOWED – GELOBT (Band #7)


FOUND  – GEFUNDEN (Band #8)


RESURRECTED  – ERWECKT (Band #9)


CRAVED  – ERSEHNT (Band #10)


FATED  – BERUFEN (Band #11)












Hören (https://itunes.apple.com/de/artist/morgan-rice/id417552527?mt=11&uo=4) im Audiobuch-Format an!


Copyright В© 2013 by Morgan Rice

Alle Rechte vorbehalten. Mit den im U.S. Copyright Act von 1976 erlaubten Ausnahmen ist es nicht gestattet, jeglichen Teil dieser Publikation in jeglicher Form oder über jegliche Mittel ohne die vorherige Erlaubnis des Autors zu vervielfältigen, zu verteilen oder zu übertragen, oder in einer Datenbank oder einem Abrufsystem zu speichern.

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Diese Geschichte ist frei erfunden. Namen, Figuren, Unternehmen, Organisationen, Orte, Ereignisse und Vorfälle sind entweder ein Produkt der Phantasie des Autors oder werden im fiktionalen Sinne verwendet. Jegliche Ähnlichkeit mit existierenden Personen, tot oder lebendig, ist rein zufällig



В©iStock.com/RazoomGames


“Uns wen'ge, uns beglücktes Häuflein Brüder:
Denn welcher heut sein Blut mit mir vergieГџt,
Der wird mein Bruder.”

В В В В --William Shakespeare
В В В В Henry V






KAPITEL EINS


Thor stand Gwendolyn gegenüber. Er hatte das Schwert gesenkt und zitterte am ganzen Körper. Er sah sich um und bemerkte all die Gesichter, die ihn in betretener Stille ansahen – Alistair, Erec, Kendrick, Steffen und etliche seiner Landsleute – Leute die er kannte und liebte. Seine Leute. Dennoch stand er ihnen hier mit dem Schwert in der Hand gegenüber. Er war auf der falschen Seite der Schlacht.

Endlich erkannte er es.

Thors Schleier hatte sich gelüftet als Alistairs Worte in seinem Kopf widerhallten und ihm erlaubten, wieder klar zu sehen. Er war Thorgrin, Angehöriger der Legion, Bürger des Westlichen Königreichs des Rings. Er war kein Krieger des Empire. Er liebte seinen Vater nicht. Er liebte all diese Menschen.

Am meisten von allen jedoch liebte er Gwendolyn.

Thor sah auf sie herab und sah ihr Gesicht, mit so viel Liebe zu ihm aufsah. Seine Augen füllten sich mit Tränen. Voller Scham und Abscheu erkannte er, dass er ihr mit dem Schwert gegenüberstand. Sein Körper brannte vor Schmach und Reue.

Er lieГџ das Schwert fallen. Dann ging er einen Schritt auf Gwen zu, lieГџ sich vor sie auf die Knie fallen, und umarmte sie.

Gwendolyn nahm ihn fest in die Arme, und er hörte ihr Schluchzen und spürte ihre Tränen, die seinen Nacken hinunter liefen.

Thor war überwältigt von Reue und er konnte nicht fassen, wie all das geschehen war. Die Erinnerung lag im Nebel. Er war heilfroh wieder er selbst zu sein, klar denken zu können und zurück bei seinen Leuten zu sein.

„Ich liebe Dich“, flüsterte sie ihm ins Ohr. „Ich werde dich immer lieben!“

„Ich liebe Dich von ganzem Herzen“, antwortete Thor.

Krohn kam zu ihnen hinГјber gehinkt, winselte, und leckte Thor die Hand; Thor beugte sich zu ihm hinunter und kГјsste ihn auf die Nase.

„Es tut mir leid“, sagte Thor zu ihm, und erinnerte sich, dass er Krohn geschlagen hatte, als er Gwendolyn beschützen wollte. „Bitte vergib mir.“

Die Erde, die eben noch gebebt hatte, lag plötzlich wieder ruhig da.

„THORGRIN!“, durchschnitt ein Schrei di Luft.

Thor drehte sich um und sah Andronicus. Mit böser Miene und vor Wut rotem Gesicht trat er auf die Lichtung. Beide Armeen sahen in gespannter Stille zu, wie sich Vater und Sohn gegenüberstanden.

„Ich befehle dir!“, sagte Andronicus. „Töte sie! Töte sie alle! Ich bin dein Vater. Du gehorchst mir! Mir allein!“

Doch dieses Mal sah Thor Andronicus an und es fühlte sich anders an als zuvor. Etwas hatte sich in ihm verändert. Er sah Andronicus nicht mehr länger als seinen Vater, ein Familienmitglied, jemandem dem er gehorchen musste und für den er sein Leben geben würde. Er sah ihn als Feind, als das Monster, das er war. Er fühlte sich diesem Mann nicht mehr verbunden. Im Gegenteil: er spürte eine brennende Wut. Vor ihm stand der Mann, der den Angriff auf Gwendolyn befohlen hatte; der Mann, der seine Landsleute umgebracht hatte;  der in sein Heimatland eingefallen war und es geplündert hatte; hier stand der Mann, der seinen Geist unter seine Kontrolle gebracht hatte, der ihn mit seiner finsteren Magie gefangen gehalten hatte.

Er liebte diesen Mann nicht, im Gegenteil. Mehr als alles andere wollte er ihn töten.

Thor spürte eine unbändige Wut in sich aufsteigen.

Langsam hob er sein Schwert auf, sah seinen Vater an, und stürzte sich ohne zu zögern auf ihn.

Andronicus sah Thor erschrocken an, als er mit hoch erhobenem Schwert auf ihn zu gerannt kam. Thor hielt das Schwert mit beiden Händen, holte aus und hieb nach Andronicus Kopf.

Im letzten Augenblick riss Andronicus seine riesige Kriegsaxt hoch drehte sich zur Seite und wehrte den Schlag mit dem eisernen Schaft der Axt ab.

Thor gab nicht nach: Wieder holte er mit dem Schwert aus, und wieder, und immer wieder. Funken flogen. Er wollte ihn töten. Doch jedes Mal wehrte ihn Andronicus mit seiner Axt ab. Das Scheppern ihrer Waffen schallte über die Ebene und die Krieger beider Armeen betrachteten gebannt das Schauspiel.

Thor schrie und stöhnte, setzte alles ein, was er je gelernt hatte und hoffte, seinen Vater töten zu können. Er musste es tun, für sich selbst, für Gwendolyn, für all jene, die jemals unter der Hand dieses Monsters leiden mussten.

Mit jedem Schlag wünschte sich Thor mehr als alles andere, seine Herkunft auszulöschen, seine Vergangenheit, und noch einmal von vorne anfangen zu können. Einen anderen Vater wählen zu können.

Andronicus wehrte Thors Schläge nur ab und griff nicht an. Er hielt sich offensichtlich zurück.

„Thorgrin!“, rief Andronicus zwischen zwei Schlägen. „Du bist mein Sohn. Ich will dich nicht verletzen. Ich bin dein Vater. Du hast mir das Leben gerettet. Ich will dass du lebst!“

„Und ich will dass du stirbst!“, schrie Thor.

Thor hieb immer wieder auf ihn ein, und trieb Andronicus trotz seiner Größe und Stärke über die Lichtung zurück. Andronicus griff immer noch nicht an. Es schien als hoffte er, dass Thornicus zurückkehren würde.

Doch diesmal würde er nicht zurückkommen. Thorgrin wusste endlich wer er war. Andronicus� Worte hatten keine Wirkung mehr auf ihn, und Thor würde lieber sterben, als das noch einmal zu erleben.

„Thorgrin, hör auf!“, schrie Andronicus. Funken flogen an seinem Gesicht vorbei, als er einen besonders harten Schlag mit der Axt abwehrte. „Du zwingst mich dazu dich zu töten. Und das will ich nicht. Du bist mein Sohn. Dich zu töten ist so, als ob ich einen Teil von mir selbst töten würde.“

„Dann töte dich selbst!“, knurrte Thor. „Doch wenn du das nicht willst, werde ich es gerne für dich tun!“

Mit einem lauten Schrei sprang Thor mit beiden FГјssen gegen die Brust seines Vaters. Andronicus verlor das Gleichgewicht, stolperte ein paar Schritte zurГјck und fiel zu Boden.

Er blickte zu Thor auf, Гјberrascht, dass das passieren konnte.

Thor stand Гјber ihm und holte mit dem Schwert zum letzten Schlag aus.

„NEIN!“, kreischte eine Stimme. Es war eine grässliche Stimme, die klang, als käme sie direkt aus den tiefsten Tiefen der Hölle. Thor sah sich um und sah, dass ein Mann die Lichtung betreten hatte. Er trug einen langen scharlachroten Mantel und sein Gesicht war tief unter der Kapuze verborgen. Ein Grollen, das nicht von dieser Erde zu sein schien, kam unter der Kapuze hervor.

Es war Rafi.

Irgendwie hatte es Rafi nach dem Kampf mit Argon auf das Schlachtfeld zurück geschafft. Er stand da, und streckte beide Arme aus. Seine Ärmel rutschen zurück, als er die Arme hob, und entblößten seine blasse, faltige Haut, die aussah, als hätte sie nie die Sonne gesehen. Er gab ein fürchterliches Geräusch von sich, dem Knurren eines Tieres gleich, und als er seinen Mund weit aufriss wurde es lauter und immer lauter, bis es über das Schlachtfeld hallte und Thors Ohren schmerzen ließ.

Die Erde begann zu beben. Thor verlor das Gleichgewicht. Er folgte mit dem Blick Rafis Händen, und was er dann sah, würde er niemals vergessen:

Eine breite Spalte tat sich auf, die sich immer weiter fortsetzte und breite wurde. Krieger von beiden Seiten rutschten und fielen hinein. Unter panischen Schreien fielen sie in den Abgrund.

Ein orangefarbenes Leuchten kam aus dem Abgrund, und ein fürchterliches zischendes Geräusch, begleitet von Dampf und Nebel.

Eine Hand kam aus dem Abgrund und hielt sich am Rand fest. Die Hand war schwarz, wie verbranntes Holz und entstellt und eine grauenvolle Kreatur zog sich aus der Tiefe empor. Sie hatte menschliche Form, doch sie war schwarz und hatte große rote Augen, lange gelbe Fangzähne. Und eine schwarzen Schwanz. Ihr Körper war seltsam deformiert, fast wie der einer verwesenden Leiche.

Die Kreatur warf den Kopf in den Nacken und antwortete Rafis Knurren mit einem tierischen Brüllen. Es war ein untotes Wesen, das Rafi aus den Tiefen der Hölle heraufbeschworen hatte.

Hinter der Kreatur kroch eine weitere hervor, und noch eine.

Immer mehr dieser Wesen kamen aus den tiefsten Eingeweiden der Hölle hervor, eine Armee von tausenden von Untoten. Rafis Armee.

Langsam bauten sie sich neben Rafi auf und standen Thor und den anderen gegenГјber.

Thor betrachtete schockiert die Armee, die ihm gegenüber stand. Andronicus nutzte den Augenblick, rollte zur Seite und zog sich zu seiner Armee zurück – er wollte offensichtlich die Auseinandersetzung mit Thor vermeiden.

Plötzlich fluteten die Kreaturen die Lichtung und stürmten auf Thor und seine Leute zu.

Thor erwachte aus seiner Starre und riss sein Schwert hoch, als die erste Kreatur sich knurrend und mit ausgefahrenen Krallen auf ihn stГјrzen wollte. Thor fuhr herum, schwang sein Schwert und schlug ihr den Kopf ab.

Die Kreaturen waren schnell und stark, doch im Kampf Mann gegen Mann waren sie Thor und den Kriegern des Rings nicht gewachsen. Thor kämpfte hart und die Kreaturen fielen zu allen Seiten. Doch die Frage war, wie viele der Kreaturen konnte er auf einmal bekämpfen. Tausende fluteten auf das Schlachtfeld und umringten ihn und die anderen.

Thor, Erec, Kendrick, Srog und die anderen kämpften Seite an Seite und gaben einander Deckung während sie oft zwei oder mehr der Kreaturen gleichzeitig töteten. Einer der Kreaturen gelang es jedoch, durch die Deckung zu dringen und Thor mit seinen Krallen am Arm zu verletzen. Er schrie kurz auf, fuhr herum und rammte ihm einen Dolch ins Herz. Thor war ein überlegener Kämpfer, doch seine Muskeln zitterten bereits vor Anstrengung und er wusste nicht, wie lange er diesen Kreaturen noch standhalten konnte.

Doch zuallererst wollte er Gwendolyn in Sicherheit wissen.

„Bring sie hier raus!“, schrie er und schob Steffen, der gerade selbst gegen eines der Monster kämpfte, auf Gwen zu. „JETZT!“

Steffen griff Gwen beim Arm und zerrte sie davon, zurГјck durch die Armee und weg von den Kreaturen.

„NEIN!“, protestierte Gwen. „Ich will bei dir bleiben!“

Doch Steffen gehorchte und zerrte sie vom Schlachtfeld weg, wo tausenden von MacGils und Silver ritterlich gegen die Kreaturen kämpften.

Thor war froh, dass sie in Sicherheit war und warf sich zurück in die Schlacht mit den Untoten. Er versuchte seine druidischen Mächte anzurufen, mit seinem Geist und dem Schwert gleichzeitig zu kämpfen, doch es gelang ihm nicht. Er war zu erschöpft von seinen Erlebnissen mit Andronicus, von der Kontrolle, die Rafi über ihn ausgeübt hatte, und brauchte Zeit, sich zu erholen. Er würde mit konventionellen Waffen kämpfen müssen.

Alistair trat neben Thor und hob eine Hand in Richtung der Untoten. Ein gleißendes Licht trat hervor und äscherte dutzende von ihnen auf einmal ein. Sie zielte mit beiden Händen immer wieder auf die Kreaturen um sich herum und Thor spürte sich inspiriert, die Energie seiner Schwester gab ihm Kraft. Er versuchte noch einmal den anderen Teil seiner Persönlichkeit anzurufen, um nicht mit dem Schwert, sondern mit dem Geist zu kämpfen: Als die nächste Kreatur näher kam, hob er die Hand und versuchte den Wind anzurufen.

Thor spürte, wie der Wind durch seine Handfläche wehte, und plötzlich wurden dutzende von Kreaturen durch die Luft gewirbelt und zurück in die Erdspalte geworfen.

Kendrick, Erec und die anderen kämpften ritterlich an Thors Seite. Jeder von ihnen tötete dutzende von Kreaturen. Unter lautem Schlachtgeschrei gaben die Männer alles. Die Krieger des Empire hatten sich zurückgezogen und ließen Rafis Armee der Untoten die Schlacht für sich schlagen und Thors Männer müde machen.

Der Plan ging auf. Bald waren Thors Männer erschöpft und wurden langsamer. Doch der Strom der Untoten aus den Tiefen der Hölle riss nicht ab.

Thor atmete schwer und sah, dass es den Untoten gelang, ihre Linien zu durchbrechen und einige seiner Männer fielen. Es waren einfach zu viele. Um Thor herum erhoben sich die Schreie derer, die von den Untoten zu Boden gedrückt wurden. Die Kreaturen schlugen den Männern ihre Fangzähne in den Hals und tranken ihr Blut. Mit jedem Krieger, den die Kreaturen töteten, schienen sie stärker zu werden.

Thor wusste, dass schnell etwas geschehen musste. Sie brauchten groГџe Macht um sich gegen die Kreaturen zu wehren, mehr als er oder Alistair hatten.

„Argon!“, rief Thor Alistair zu. „Wo ist er? Wir müssen ihn finden!“

Thor sah sie an und bemerkte, dass ihre Kräfte schwanden. Eines der Monster versetzte ihr einen Schlag und sie fiel zu Boden. Als sich die Kreatur auf sie stürzen wollte, sprang Thor dazwischen und rammte dem Monster sein Schwert in den Rücken.

Thor reichte ihr die Hand und half ihr schnell auf die Beine.

„Argon!“, schrie er. „Er ist unsere einzige Hoffnung. Wir müssen ihn finden.“

Alistair warf ihm einen wissenden Blick zu und stГјrmte davon.

Eine Kreatur stГјrzte sich auf Thor und wollte ihre Krallen in Thors Hals schlagen, doch Krohn sprang an fauchend an ihr hoch und warf sie zu Boden. Eine weitere Kreatur sprang auf Krohns RГјcken, doch Thor schlug ihr mit dem Schwert den Kopf ab.

Eine andere Kreatur sprang Erec von hinten an und Thor riss sie mit beiden Händen los, hob sie hoch über seinen Kopf und warf sie auf mehrere andere Kreaturen. Ein weiteres Monster stürzte sich auf Kendrick, der es nicht kommen gesehen hatte und Thor fuhr herum und rammte ihm seinen Dolch in den Hals, gerade als es seine Fangzähne in Kendricks Schulter bohren wollte.

Thor war froh, dass er so wieder gut machen konnte, dass er sich vorher im Kampf gegen Erec und Kendrick und all die anderen gestellt hatte. Es fühlte sich gut an, wieder auf ihrer Seite zu kämpfen, auf der Seite der Gerechten; es fühlte sich gut an, wieder zu wissen wer er war und wofür er kämpfte.

Während Rafi mit weitausgestreckten Armen dastand und vor sich hin summte, krochen tausende der Kreaturen aus den Eingeweiden der Erde und Thor wusste, dass sie ihnen nicht viel länger standhalten konnten. Ein Schwarm schwarzer Kreaturen umringte ich und die anderen, und Thor wusste, dass sie bald sterben mussten.

Doch zumindest durfte er auf der Seite der Gerechten sterben, dachte er.




KAPITEL ZWEI


Luanda schlug und trat um sich als Romulus sie über die Brücke und mit jedem Schritt weiter von ihrer Heimat davon trug. Sie schrie und schlug wild um sich, grub ihre Nägel in seine Haut und tat alles, um sich von seinem Griff zu befreien. Doch seine Arme waren zu stark, wie Felsen, seine Schultern zu breit und er hielt sie so fest umschlungen wie eine Würgeschlange. Sie konnte kaum atmen und ihre Rippen schmerzten.

Trotz allem machte sie sich keine Sorgen um sich selbst. Am anderen Ende der Brücke sah sie vor sich eine gigantische Armee von Empirekriegern, die in Habachtstellung dastanden und warteten. Sie warteten darauf, dass der Schild fallen würde, damit sie auf die Brücke stürmen konnten. Luanda sah Romulus an und bemerkte den seltsamen Umhang den er trug. Er schien zu vibrieren und zu leuchten, und sie spürte, dass sie auf irgendeine Art und Weise der Schlüssel war, um den Schild zu zerstören. Es musste mit ihr zu tun haben. Warum hätte er sie sonst mitgenommen?

Luanda war wild entschlossen: Sie musste sich befreien – nicht für sich selbst, sondern für ihr Königreich, für ihr Volk. Wenn es Romulus gelingen würde, den Schild zu zerstören, würden die Männer auf der anderen Seite der Brücke wie Heuschrecken über das Land herfallen und alles, was noch von ihrer Heimat übrig war für immer zerstören. Sie konnte das nicht zulassen. Sie spürte den Wind auf ihrem kahlgeschorenen Kopf und sie stöhnte, als sie sich daran erinnerte, dass sie ihr die Haare abgeschnitten hatten, wie sie sie erniedrigt hatten. Sie würde jeden einzelnen von ihnen töten, wenn sie die Gelegenheit dazu bekäme.

Als Romulus sie aus Andronicus Lager befreit hatte, hatte sie zunächst geglaubt, dass er sie vor einem schrecklichen Schicksal gerettet hatte.  Doch Romulus schien noch schlimmer als Andronicus zu sein. Sie war sich sicher, dass er sie töten würde, sobald sie die Brücke überquert hatten. Vielleicht würde er sie vorher sogar noch foltern.

Sie musste einen Weg finden, wie sie ihm entkommen konnte.

Romulus beugte den Kopf zu ihr herunter und flГјsterte ihr mit seiner gutturalen Stimme ins Ohr:

„Nicht mehr lange, Schätzchen. Nicht mehr lange.“, und ihre Haare sträubten sich.

Sie musste sich schnell etwas einfallen lassen. Luanda war keine Sklavin, mit der man tun konnte, was man wollte. Sie war die erstgeborene Tochter eines Königs. Königliches Blut floss durch ihre Adern, das Blut von Kriegern, und sie fürchtete niemanden. Sie würde alles tun was nötig war um einen Feind zu bekämpfen – jeden Feind – selbst wenn er so grotesk und mächtig war wie Romulus.

Luanda sammelte ihre verbliebenen Kräfte und in einer schnellen Bewegung warf sie den Kopf in den Nacken fuhr herum und biss Romulus in den Hals. Sie biss mit aller Kraft zu bis sein Blut spritzte und er sie fallen ließ. Luanda sprang auf, drehte sich um und rannte davon, zurück über die Brücke in Richtung ihres Heimatlandes.

Sie hörte seine schweren Schritte hinter sich. Er war viel schneller als sie gedacht hatte und als sie einen Blick zurück über ihre Schulter warf konnte sie sehen, dass in seinem Gesicht blanke Wut stand.

Sie wandte den Blick wieder nach vorn auf den festen Boden, der nur noch zehn Meter von ihr entfernt war und rannte so schnell sie konnte.

Nur wenige Schritte vom Brückenkopf entfernt spürte Luanda plötzlich einen fürchterlichen Schmerz in ihrem Rücken als Romulus sich auf sie stürzte und seinen Ellenbogen auf ihre Nacken heruntersausen ließ. Sie hatte das Gefühl, dass er sie zerschmetterte, als sie mit dem Gesicht voran im Dreck landeten. Einen Augenblick später war er über ihr und versetzte ihr einen Schlag ins Gesicht. Er schlug sie so hart, dass ihr Kopf vom Boden abprallte und hart zurückfiel. Der Schmerz vibrierte durch ihren Kiefer, ihren ganzen Kopf und sie war am Rande der Bewusstlosigkeit.

Luanda spürte, wie Romulus sie hochzerrte, sie hoch über seinen Kopf hob und auf das Brückengeländer zustürmte. Er schrie wie ein Tier als er vor dem Geländer stand und sich anschickte, sie herunterzuwerfen.

Luanda blickte hinab in die Tiefe und war sich sicher, dass sie bald sterben wГјrde.

Doch Romulus hielt sie mit vor Wut und Anstrengung zitternden Armen in die Höhe, und schien zu überlegen. Natürlich hätte er sie am liebsten in der Luft zerrissen und über die Brüstung geworfen – doch das konnte er nicht tun. Er brauchte sie, damit er sein Schicksal erfüllen konnte.

SchlieГџlich lieГџ er sie herunter, umgriff ihre Taille noch fester als zuvor und eilte wieder auf die andere Seite des Canyons zu.

Diesmal hing Luanda schlaff in seinen Armen, benebelt von den Schmerzen, und konnte nichts tun. Sie hatte es versucht – und war gescheitert.

Nun war alles was ihr blieb, abzuwarten, was das Schicksal fГјr sie vorherbestimmt hatte, Schritt fГјr Schritt, als er sie Гјber den Canyon trug und die wabernden Nebelschwaden sie einhГјllten und genauso schnell wieder verschwanden. Luanda fГјhlte sich, als ob er sie in eine andere Welt brachte, an einen Ort, von dem sie nie wieder zurГјckkommen wГјrde.

Schließlich erreichten sie die andere Seite, und als Romulus den letzten Schritt machte, um die Brücke zu verlassen, vibrierte sein Mantel laut hörbar und glühte rot. Romulus ließ Luanda wie einen Sack Kartoffeln zu Boden fallen. Sie schlug mit dem Kopf voran auf und blieb regungslos liegen.

Romulus Krieger standen am Rande des Brückenkopfes und starrten zur Brücke. Jeder von ihnen hatte Angst, dass er derjenige sein würde, der testen sollte, ob der Schild tatsächlich zerstört war.

Romulus hatte die Nase voll, griff einen der wartenden Krieger, hob ihn hoch und warf ihn auf die Brücke, direkt in den unsichtbaren Schild hinein. Der Krieger hob seine Hände vors Gesicht und schrie – er war sich sicher, dass ihm nur wenige Augenblicke blieben.

Doch diesmal geschah etwas anderes. Der Krieger flog in hohem Bogen durch die Luft und schlug hart auf der BrГјcke auf. Die Menge betrachtete gespannt wie er abrollte und liegen blieb. Er war am Leben.

Die Krieger sahen sich ungläubig an und am meisten von allen schien derjenige von ihnen zu sein, der lebendig auf der Brücke hockte und sich den Staub von den Kleidern klopfte. Er war am Leben. Der Schild war zerstört.

Romulus Armee jubelte und stürmte los. Sie schwärmten auf die Brücke in Richtung des Rings. Luanda kauerte sich an das Brückengeländer in der Hoffnung nicht von den Männern zertrampelt zu werden. Mit Schrecken sah sie zu, wie sie wie eine Herde wild gewordener Tiere sie auf ihre Heimat zustürmten.

Ihre Heimat wГјrde nie wieder so sein wie sie einmal gewesen war.




KAPITEL DREI


Reece stand am Rande der Lavagrube und starrte ungläubig hinein während die Erde unter seinen Füssen heftig bebte. Er konnte kaum fassen, was er gerade getan hatte. Seine Muskeln schmerzten noch immer von der Last des Felsblocks, von der Anstrengung, als sie ihn mitsamt dem Schwert des Schicksals in die Grube geworfen hatten.

Er hatte gerade eben die mächtigste Waffe innerhalb des Rings zerstört, die Waffe um die sich die Legenden rankten, das Schwert, das seit Generationen in seiner Familie war, die Waffe des Auserwählten, die Quelle des Schildes. Er hatte es in die Lavagrube geworfen und mit eigenen Augen angesehen, wie es schmolz, in einen rotglühenden Feuerball aufging und im Nichts verschwand.

FГјr immer verloren.

Der Boden hatte seitdem unaufhörlich gebebt. Reece und die anderen, die mit ihm um die Lavagrube herum standen hatte Mühe, die Balance zu halten. Als er langsam von der Grube zurückwich hatte er das Gefühl, als ob die Welt um ihn zusammenbrach. Was hatte er nur getan? Hatte er den Schild zerstört? Den Ring? Hatte er etwa gerade den größten Fehler seines Lebens gemacht?

Reece versuchte sich zu beruhigen indem er sich einredete, dass er keine andere Wahl gehabt hatte. Der Felsblock mit dem Schwert war schlicht und einfach zu schwer gewesen, als dass sie ihn so einfach hätten davontragen können. Ganz zu schweigen davon, dass sie ihn nie die Felswand hinaufbekommen hätten. Wie hätten sie außerdem mit der Last auf den Schultern vor diesen Wilden fliehen sollen? Er war in einer verzweifelten Situation gewesen. Und verzweifelte Situationen verlangen nach verzweifelten Maßnahmen.

Ihre verzweifelte Situation hatte sich noch nicht verändert. Reece hörte die Schreie um sich herum die von tausenden dieser kleinen Kreaturen kamen, die nervenaufreibend mit den Zähnen klapperten, knurrten und lachten. Sie klangen wie ein Heer von Schakalen.

Sie hatten sie verärgert; sie hatten ihr wertvolles Objekt gestohlen und nun wollten sie Rache.

So schlimm die Situation Augenblicke zuvor schon war, sie wurde immer schlimmer. Reece sah die anderen – Elden, Indra, O’Connor, Conven, Krog und Serna – die sich verzweifelt umsahen. Tausende von Faws kamen aus allen Richtungen auf sie zu gestürmt. Reece hatte dafür gesorgt, dass niemand das Schwert auf die andere Seite des Canyons bringen konnte. Doch er hatte nicht darüber hinaus gedacht. Er hatte keinen Plan, wie er sich und die anderen außer Gefahr bringen sollte. Sie waren umzingelt und es gab keinen Weg heraus.

Reece war fest entschlossen einen Ausweg zu finden, und nun, ohne das Schwert. konnten sie sich zumindest wieder schnell bewegen.

Reece zog sein Schwert und ließ es zischend durch die Luft schwirren. Warum sollte er warten, bis diese Kreaturen angriffen? Zumindest würde er kämpfend untergehen.

„ANGRIFF!“, schrie er.

Sie zogen ihre Waffen und sammelten sich hinter ihm. Sie folgten ihm als er von der Lavagrube weg mitten unter die Faws stürmte, und mit seinem Schwert einen nach dem anderen ummähte. Elden neben ihm schwang seine Axt und schlug zweien gleichzeitig die Köpfe ab. O’Connor spannte seinen Bogen während er lief und traf mehrere Faws in seiner Bahn. Indra hatte ihr Kurzschwert gezogen und einem ins Herz gerammt, während Conven beide Schwerter schwang und sich wie ein Wahnsinniger schreiend mitten unter die Faws stürzte. Serna schwang seinen Streitkolben und Krog seinen Speer.

Sie kämpften in perfektem Einklang und bahnten sich ihren Weg durch die dichte Menge in ihrem verzweifelten Versuch zu entkommen. Reece führte sie auf einen kleinen Hügel. Die Erde bebte noch immer, der Boten war matschig und der Hügel steil. Ein paar Faws gelang es, auf ihn zu springen. Sie schlugen, kratzten und bissen ihn. Er schlug wild um sich und es gelang ihm, sie mit Tritten abzuwehren und zu erstechen, bevor sie erneut angreifen konnten. Mit Kratzwunden und Bissen übersäht kämpfte Reece weiter, und sie stürmten um ihr Leben den Hügel hinauf.

Als sie endlich die Spitze des HГјgels erreicht hatte, hatten sie einen Vorsprung und konnten kurz durchatmen. Reece stand da und rang keuchend um Atem, und in der Ferne konnte er die Wand des Canyon erkennen, bevor sie wieder im Nebel verschwand.

Er wusste, sie war da, ihr einziger Weg nach oben, und er wusste, dass sie sie schnellstens erreichen mussten.

Reece warf einen Blick über die Schulter und sah tausenden von Faws die mit klappernden Zähnen, knurrend und fauchend den Hügel hinaufgestürmt kamen.

„Was ist mit mir?“, hörte er eine Stimme.

Reece fuhr herum und sah Centra am FuГџe des HГјgels. Er war immer noch ihr Gefangener und stand neben dem AnfГјhrer, der ihm seinen Dolch an den Hals hielt.

„Lasst mich nicht zurück!“, schrie er. „Sie werden mich töten!“

Reece stand unentschlossen da. Er war unglaublich frustriert. Natürlich hatte Centra Recht: Sie würden ihn töten. Reece konnte ihn nicht zurücklassen, das verstieß gegen alles was Reece gut und heilig war. Immerhin hatte Centra ihnen zuvor auch geholfen.

Reece zögerte. Er sah sich um und sah in der Ferne die Wand des Canyons, ihren Weg nach draußen.

„Wir können nicht zurück“, sagte Indra panisch. „Sie werden uns alle töten!“

Sie trat mit dem FuГџ nach einem Faw und er fiel den HГјgel hinunter.

„Wir haben so schon Glück, am Leben zu sein.“, rief Serna.

„Er gehört nicht zu uns!“, sagte Krog. „Wir können nicht die ganze Gruppe für ihn in Gefahr bringen!“

Reece überlegte. Die Faws kamen immer näher und er musste eine Entscheidung treffen.

„Du hast Recht“, gab Reece zu. „Er ist keiner von uns. Doch er hat uns geholfen. Er ist ein guter Mann. Ich kann ihn nicht in den Händen dieser Kreaturen zurücklassen. Wir lassen niemanden im Stich!“, sagte Reece fest.

Reece rannte den Hügel hinab in Centras Richtung – doch bevor er unten ankam, war Conven schon vorausgestürmt, rutschte und rannte den Hügel hinab und bahnte Reece einen Weg. Er schlug mit seinen Schwertern wild um sich und stürmte zurück in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Furchtlos warf er sich in eine Gruppe von Faws und irgendwie gelange es ihm mit seiner wilden Entschlossenheit sich seinen Weg durch sie hindurch zu schlagen.

Reece folgte ihm dicht auf den Versen.

„Ihr anderen bleibt hier!“, rief Reece. „Wartet auf uns!“

Reece folgte Convens Beispiel und schlitzte und hieb rings um sich auf die Faws ein. SchlieГџlich holte er Conven ein und sie gaben sich gegenseitig Deckung, bis sie Centra erreichten. Conven stГјrmte voran zu Centra, der ihn mit vor Angst weit aufgerissenen Augen ansah. Ein Faw wollte seinen Dolch an Centras Hals legen, doch Reece gab ihm keine Gelegenheit: Er holte mit dem Schwert aus, zielte und warf es mit aller Kraft.

Das Schwert flog durch die Luft und durchbohrte schließlich den Hals des Faw, einen Wimpernschlag bevor dieser Centra töten konnte. Centra schrie erschrocken auf, als das Schwert nur Zentimeter von seinem Gesicht entfernt vorbeisauste.

Zu Reeces Überraschung stürmte Conven nicht auf Centra zu, sondern rannte stattdessen an ihm vorbei einen kleinen Hügel hinauf. Reece blickte auf und sah schockiert zu. Conven stürmte den Hügel hinauf und bahnte sich seinen Weg durch eine Gruppe von Faws, die ihren Anführer umringten, der hoch oben auf seiner Plattform saß und von dort dem Kampf zusah. Conven tötete einen nach dem anderen. Sie hatten nicht mit ihm gerechnet, und es geschah zu schnell, als dass sie reagieren konnten. Reece erkannte, dass Conven auf ihren Anführer zustürmte.

Conven kam näher, sprang hoch, holte mit dem Schwert aus, und als der Anführer ihn bemerkte war es schon zu spät. Conven stach ihm ins Herz. Der Anführer schrie – und plötzlich hörten sie um sich herum tausende von Schreie von den anderen Faws, gerade so, als ob sie selbst erstochen wurden. Es war, als ob sie alle ein gemeinsames Nervensystem verband – und Conven hatte es zerstört.

„Das hättest du nicht tun sollen“, sagte er zu Conven, als er zurück an seiner Seite war. „Du hast einen Krieg angefangen“

Reece sah schockiert zu, wie ein kleiner Hügel schier explodierte und aus ihm tausende und abertausende von Faws hervorkrochen, wie Ameisen aus einem Hügel. Reece erkannte, dass Conven ihren König getötet hatte, und damit den Zorn des ganzen Volkes auf sich gezogen hatte. Die Erde erzitterte unter all den Füssen und sie klapperten bedrohlich mit den Zähnen, während sie auf Reece, Conven und Centra zustürmten.

„RENNT!“, schrie Reece.

Reece versetzte Centra, der noch immer schockiert dastand, einen Stoß  und sie kämpften sich zu den anderen auf dem Hügel vor.

Reece spürte, wie ein Faw ihm auf den Rücken sprang und zu Boden riss. Er zerrte ihn an den Knöcheln den Hügel hinunter und riss das Maul auf, um ihn zu beißen.

Ein Pfeil segelte an Reeces Kopf vorbei und rette Reece. Oben auf dem Hügel stand O’Connor, der ihnen Deckung gab.

Reece rappelte sich auf während Centra und Conven die Faws abwehrten. Schließlich schafften sie es zu den anderen auf den Hügel.

„Schön, dass ihr wieder da seid!“, sagte Elden, holte mit seiner Axt aus und hieb nach ein paar Faws.

Reece blinzelte in den Nebel und Гјberlegte, welcher Weg der richtige war. Der Pfad vor ihm gabelte sich, und er wollte gerade nach Rechts gehen, als Centra an ihm vorbeirannte und nach Links ging.

„Folgt mir!“, rief Centra. „Das ist der einzige Weg!“

Während tausende von Faws begannen, den Hügel hinaufzuklettern, rannten Reece und die anderen Centra hinterher, und Reece war mehr als froh, dass er ihn aus den Händen der Faws befreit hatte.

„Wir müssen es zur Canyonwand schaffen“, rief Reece und war sich nicht sicher, wo Centra sie hinführte.

Sie rannten durch den dichten Wald und bemГјhten sich, Centra zu folgen, als er dem Waldweg durch den Nebel folgte und dabei geschickt dicken Wurzeln auswich, die Гјber den Weg wuchsen.

„Es gibt nur einen Weg diese Kreaturen loszuwerden!“, rief Centra über seine Schulter. „Folgt mir!“

Sie folgten Centra so dicht sie konnten, stolperten Гјber Wurzeln, wurden von Г„sten zerkratzt. Reece versuchte krampfhaft etwas durch den immer dichter werdenden Nebel zu erkennen und stolperte mehr als einmal auf dem unebenen Boden.

Sie rannten bis ihre Lungen schmerzten, doch das schreckliche Geschrei der Faws hinter ihnen schien eher näher zu kommen. Elden und O’Connor halfen Krog, was sie deutlich verlangsamte. Reece hoffte und betete, dass Centra wusste, wo er sie hinführte; er konnte die Wand des Canyon durch den Nebel nirgends erkennen.

Plötzlich blieb Centra stehen, und Reece rannte in seine ausgestreckte Hand.

Reece sah nach unten und sah einen Schritt vor sich einen steilen Abhang, der zu einem reiГџenden Fluss hinunter fГјhrte.

„Wasser“, erklärte Centra und schnappte nach Luft. „Sie haben Angst vor Wasser.“

Die anderen blieben neben ihnen stehen und sahen hinab zu den schäumenden Stromschnellen.

„Es ist unsere einzige Chance“, fügte Centra hinzu. „Wir müssen den Fluss überqueren. Sie werden uns nicht folgen und wir gewinnen Zeit.“

„Aber wie sollen wir da rüber kommen?“, fragte Reece und blickte über das Wasser hinweg.

„Die Strömung wird uns töten!“, sagte Elden.

Centra schmunzelte.

„Das ist unsere geringste Sorge“, sagte er. „Das Wasser ist voller Fourens – das tödlichste Tier auf hier unten. Fall hinein und sie zerreißen dich in Stücke.“

„Dann können wir nicht schwimmen“, stellte O’Connor fest. „Und ich sehe kein Boot.“

Reece sah sich um und bemerkte, dass die Faws immer näher kamen.

„Das ist der einzige Weg.“, sagte Centra und griff nach einer langen Liane, die von einem Baum hing, dessen riesige Äste bis weit über den Fluss hinaus ragten. „Wir müssen uns auf die andere Seite schwingen. Versucht nicht abzurutschen und lasst um Himmels Willen nicht los, bevor ihr über dem Ufer auf der andern Seite seid. Dann werft die Liane zurück zu den anderen.“

Reece sah hinunter in den reißenden Strom und bemerkte eine hässliche gelbe Kreatur, die aus dem Wasser sprang. Sie sah aus wie ein Sonnenfisch, und schien fast ausschließlich aus Zähnen zu bestehen. Sie schnappte und machte seltsame Geräusche. Er entdeckte immer mehr von ihnen, die aussahen, als warteten sie auf ihre nächste Mahlzeit.

Reece warf noch einmal einen Blick über die Schulter, und sah, dass die Faws schon über den nächsten Hügel schwappten.

Sie hatten keine andere Wahl.

„Geh du zuerst“, sagte Centra zu Reece.

Reece schГјttelte den Kopf.

„Ich gehe zuletzt.“, sagte er. „Falls wir es nicht alle rechtzeitig schaffen. Geh du als erster. Du kennst den Weg.“

Centra nickte.

„Das musst du mir nicht zweimal sagen.“, antwortete er mit einem Lächeln und beobachtete nervös, wie die Faws immer näher kamen.

Centra griff die Liane, schwang sich mit einem Schrei Гјber das Wasser und landete schlieГџlich sicher auf der anderen Seite.

Er hatte es geschafft.

Centra lächelte und schickte die Liane mit Schwung zurück über den Fluss.

Elden griff danach und streckte sie Indra hin.

„Damen zuerst.“, sagte er.

Sie schnitt eine Grimasse.

„Ich lasse dir gerne den Vortritt. Du bist groß und schwer. Bring es hinter dich und fall nicht rein. Sonst müsste ich dich retten.“

Elden verzog das Gesicht und hielt sich an der Liane fest.

„Ich wollte nur nett sein“, sagte er.

Mit einem Schrei sprang auch er hoch und stolperte am anderen Ufer neben Centra. Er schickte die Liane zurück und nacheinander schwangen sich auch O’Connor, Serna, Indra und Conven hinüber.

Nur noch Reece und Krog waren Гјbrig.

„Damit sind nur noch wir zwei hier.“, sagte Krog zu Reece. „Geh und rette dich“, sagte Krog als er ängstlich einen Blick über seine Schulter warf. „Die Faws sind zu nah. Wir können es nicht beide schaffen.“

Reece schГјttelte den Kopf.

„Wir lassen niemanden im Stich.“, sagte er. „Wenn du nicht gehst, gehe ich auch nicht.“

Sie standen am Ufer und sahen einander stur an. Krog sah immer nervöser aus und schüttelte den Kopf.

„Du bist ein Narr. Warum sorgst du dich so sehr um mich. Wenn ich an deiner Stelle wäre, wäre es mir gerade egal ob du lebst oder stirbst.“

„Ich bin jetzt euer Anführer, und das macht mich verantwortlich“, sagte Reece. „Du bist mir gleich, aber meine Ehre nicht. Und meine Ehre gebietet es mir, niemanden zurückzulassen.“

Sie fuhren herum, als die ersten Faws sie erreichten. Reece hieb mit seinem Schwert auf sie ein und tötete einige von ihnen.

„Wir gehen zusammen!“, rief Reece.

Ohne noch mehr Zeit zu verschwenden nahm Reece Krogs Arm über die Schulter, griff die Liane und beide schrien als sie genau in dem Augenblick losflogen, als die nächste Gruppe von Faws sie erreichte.

Sie flogen dicht Гјber dem Wasser durch die Luft.

„HILFE!“, schrie Krog.

Krog rutschte von Reeces Schulter ab und griff nach der Liane; doch sie war feucht von der Gischt und vom Nebel und sie rutschte durch seine Hand während er fiel. Reece griff nach ihm, doch es geschah zu schnell. Reece musste geschockt mitansehen, wie Krog in den reißenden Fluss fiel.

Reece landete am Ufer und rollte ab. Er sprang auf und wollte zurГјck ins Wasser laufen, doch bevor er reagieren konnte war Conven schon mit dem Kopf voran ins Wasser getaucht.

Reece und die anderen sahen atemlos zu. War Conven wirklich so mutig? Oder war er suizidal?

Conven schwamm durch die schäumenden Fluten. Aus irgendeinem Grunde wurde er nicht von den Kreaturen angegriffen, erreichte Krog, der Wild um sich schlug, und zerrte ihn gegen die Strömung zurück in Richtung des Ufers.

Plötzlich schrie Krog auf: „Mein Bein!“

Krog bäumte sich vor Schmerzen auf als ein Fouren sich in seinem Bein festbiss. Seine glänzenden gelben Schuppen waren bis an die Oberfläche zu sehen.

Conven schwamm bis sie endlich das Ufer erreichten. Reece und die anderen griffen nach ihren Armen und zogen sie heraus. Ein Schwarm von Fouren sprang an die Oberfläche und schnappte nach ihnen, doch Reece und die anderen schlugen sie weg.

Krog schlug um sich und Reece sah, dass der Fouren immer noch an seinem Bein hing. Indra zog ihren Dolch. Sie beugte sich Гјber ihn, hebelte vorsichtig mit der Schneide die Kiefer von Krogs Bein bis es loslieГџ, Гјber das Ufer hГјpfte, und zurГјck ins Wasser sprang.

„Ich hasse dich!“, zischte Krog.

„Gut. Ich mag dich auch nicht.“, sagte Indra unbeeindruckt.

Reece sah Conven an, der triefend nass vor ihm stand und wunderte sich Гјber seine KГјhnheit. Conven sah ihn ausdruckslos an und Reece bemerkte erschrocken, dass sich ein Fouren in seinem Arm festgebissen hatte. Reece konnte nicht fassen, wie ruhig Conven war: er griff langsam mit der anderen Hand danach, riss ihn los und warf ihn zurГјck ins Wasser.

„Tut das nicht weh?“

Conven zuckte mit den Schultern.

Reece machte sich mehr Sorgen denn je; auch wenn er Convens Mut bewunderte, konnte er nicht glauben, dass er so leichtsinnig war. Er hatte sich mit dem Kopf voran in einen Schwarm dieser gefährlichen Kreaturen gestürzt ohne auch nur darüber nachzudenken.

Auf der anderen Seite des Flusses standen hunderte von Faws. Sie klapperten wütend mit ihren Zähnen, schimpften und ballten ihre Fäuste.

„Wir sind in Sicherheit“, sagte O’Connor.

Centra schГјttelte den Kopf.

„Nur für den Moment. Diese Faws sind schlau. Sie wissen, wo der Fluss eine Biegung macht. Sie werden den langen Weg nehmen und auf unsere Seite kommen. Uns bleibt nicht viel Zeit. Wir müssen uns beeilen.“

Sie folgten Centra als er weiter durch die Schlammfelder rannte, vorbei an kochenden Geysiren, und einem Weg folgte, den nur er sah.

Sie rannten immer weiter, bis sich endlich der Nebel etwas lichtete und Reece mit Freuden die glänzende Canyonwand vor sich sah.

Er blickte hinauf, und sie war furchteinflößend hoch. Er hatte keine Ahnung, wie sie es nach oben schaffen sollten.

Reece und die anderen standen vor der Felswand und blickten sorgenvoll nach oben. Von hier unten wirkte sie noch bedrohlicher als sie schon auf dem Weg herunter auf sie gewirkt hatte. Er sah sich um, sah wie mitgenommen sie alle waren und fragte sich, ob sie es schaffen konnten. Sie waren erschöpft, hatten alle irgendwelche Blessuren und waren vollkommen außer Atem. Ihre Hände und Füße waren wund. Wie sollten sie an der senkrechten Wand hochklettern, wenn es schon fast alles von ihnen verlangt hatte, daran herunterzuklettern?

„Ich kann nicht mehr“, sagte Krog mit erstickter Stimme.

Reece fГјhlte sich genauso, doch er wagte nicht, es auszusprechen.

Sie saßen fest. Sie waren den Faws für eine Weile entkommen. Bald würden sie sie finden, und töten. All die Anstrengungen, all die Mühen – umsonst.

Reece hatte keine Lust zu sterben. Nicht an diesem Ort. Wenn er schon sterben musste, wollte er es dort oben tun, auf seinem Land, mit Selese an seiner Seite. Wenn ihm doch nur die Chance zur Flucht gewährt werden würde.

Reece hörte ein Geräusch, fuhr herum und sah die Faws, die sich vielleicht hundert Meter entfernt durch das Dickicht anschlichen, tausende von ihnen. Sie hatten den Fluss offensichtlich schon umgangen und kamen schnell näher.

Reece und seine Freunde zogen ihre Waffen.

„Es gibt keinen Ausweg mehr“, sagte Centra.

„Dann werden wir bis zum letzten Atemzug kämpfen.“, rief Reece fest entschlossen.

„Reece!“, hörte er eine Stimme.

Reece blickte an der Felswand hinauf, und als sich die Nebelschwaden fГјr einen Augenblick verzogen, sah er sie. Zuerst dachte er, dass er es sich nur einbildete. Es konnte nicht sein. Dort oben, nicht weit von ihm, war die Frau, die zu sehen er sich in den letzten Minuten am meisten gewГјnscht hatte.

Selese.

Was machte sie hier? Wie war sie hierher gekommen? Und wer war die Frau neben ihr? War das Illepra, die königliche Heilerin?

Die beiden hingen an einem langen, dicken Seil, das sie sich um ihre HГјften gewickelt hatten. Sie kamen schnell herunter und Selese warf ihm das Ende des Seils zu. Der erhoffte Ausweg landete direkt vor seinen FГјssen.

Sie zögerten keinen Augenblick, und binnen weniger Augenblicke kletterten sie an dem Seil hoch. Reece ging zuletzt und zog das Ende des Seils mit sich, damit die Faws es nicht greifen konnten.

Als er nur wenige Meter über dem Boden in der Felswand hing erschienen die Faws, sprangen hoch, und versuchten seine Füße zu erreichen – doch Reece war gerade außer Reichweite.

Er hielt an als er Selese erreichte, die auf einem Vorsprung auf ihn wartete, lehnte sich zu ihr hinГјber und kГјsste sie.

„Ich liebe dich“, sagte Reece aus tiefstem Herzen.

„Und ich liebe dich!“, antwortete sie.

Die beiden kletterten den anderen hinterher die Felswand hinauf, immer höher und höher. Bald würde sie zu Hause sein. Reece konnte es kaum glauben.

Zu Hause.




KAPITEL VIER


Alistair bahnte sich ihren Weg über das chaotische Schlachtfeld, vorbei an den Kriegern die gegen die Armee der Untoten um ihr Leben kämpften. Schreie und Stöhnen hallten durch die Luft als die Krieger die schwarzen Ghouls töteten und umgekehrt. Die Silver, die MacGils und die McClouds kämpften tapfer – doch sie waren weit in der Unterzahl. Für jeden Untoten, den sie töteten kamen drei neue nach. Es war nur eine Frage der Zeit bis die Kreaturen aus der Hölle ihre Krieger in die Knie zwingen würden.

Alistair beeilte sich und rannte über das Schlachtfeld. Ihre Lungen brannten. Sie sprang zur Seite und wich einem Untoten aus der sie mit seinen scharfen Krallen am Arm verletzte. Sie hatte keine Zeit zu kämpfen. Sie musste Argon finden.

Sie rannte dorthin, wo sie ihn zuletzt gesehen hatte, als er gegen Rafi gekämpft hatte. Sie betete, dass er nicht vor Erschöpfung gestorben war, dass sie ihn finden und aufwecken konnte bevor alles zu spät war.

Ein Untoter stellte sich ihr in den Weg, doch sie streckte ihm nur ihre Hand entgegen: ein weiГџes Leuchten schoss hervor, traf ihn in die Brust und er flog in hohem Bogen zurГјck.

Fünf weitere kamen auf sie zu, doch das Licht wurde schwächer und es gelang ihr nur einen auszuschalten, während die anderen weiter auf sie zu schlurften. Sie war erschöpft, und stellte überrascht fest, dass ihre Kräfte ihr nicht mehr gehorchten.

Alistair bereitete sich auf den Angriff vor, als Krohn fauchend und knurrend neben ihr auftauchte und einen von ihnen ansprang. Die anderen richteten ihre Aufmerksamkeit auf ihn und Alistair wusste, dass das ihre Chance war. Sie versetzte dem, der ihr am nächsten war einen Schlag mit dem Ellenbogen in den Hals und rannte los.

Sie bahnte sich ihren Weg durch das Chaos, und musste verzweifelt mitansehen, wie ihre Leute immer weiter zurГјck getrieben wurden. Alistair erreichte den Ort, an dem sie Argon zuletzt gesehen hatte. Sie sah sich um, und fand ihn schlieГџlich zwischen den Toten. Er lag zusammengekrГјmmt da und hatte mit einem Zauber einen Schild errichtet, der die anderen von ihm fernhielt. Er schien bewusstlos zu sein und als Alistair ihn erreichte, betete sie, dass er noch am Leben war.

Als sie näher kam, spürte sie, wie sie seinen Schild durchdrang und fühlte sich sicher. Sie kniete sich neben ihn und holte tief Luft. Es war, als ob sie Zuflucht im Auge des Sturms gefunden hatte.

Doch Alistair wurde von Panik erfasst, als sie Argon mit geschlossenen Augen vor sich liegen sah. Er atmete kaum.

„Argon!“, rief sie und schüttelte ihn. „Argon ich bin es! Alistair! Wach auf! Bitte wach auf!“ Doch Argon reagierte nicht und die Schlacht um sie herum wurde immer verbissener.

„Argon, ich flehe dich an! Wir brauchen dich. Ich kann Rafis Magie nicht alleine bekämpfen. Ich habe nicht deine Fähigkeiten. Bitte, bitte, komm zurück! Für den Ring. Für Thorgrin. Für Gwendolyn!“

Alistair schГјttelte ihn, doch er reagierte nicht.

In ihrer Verzweiflung kam ihr eine Idee. Sie legte beide Hände auf seine Brust, schloss ihre Augen und konzentrierte sich. Sie fokussierte was auch immer von ihrer Energie übrig war und spürte wie langsam ihre Hände warm wurden. Sie öffnete die Augen und ein blaues Leuchten ging von ihren Händen aus, das sich über seine Brust und seine Schultern ausbreitete. Bald hüllte es seinen ganzen Körper ein. Alistair nutzte einen alten Zauber zur Heilung von Kranken. Es kostete sie ihre letzte Kraft und sie spürte, wie die Energie ihren Körper verließ. Sie fühlte sich schwach und wünschte sich von ganzem Herzen, dass Argon aufwachen würde.

Alistair sank erschöpft neben Argon zu Boden. Sie lag neben ihm und war zu schwach sich zu bewegen. Sie spürte eine Bewegung neben sich und zu ihrer großen Freude sah sie, dass Argon erwachte. Er setzte sich auf und sah sie an. Seine Augen strahlten mit einem Leuchten, das ihr Angst machte. Er sah sie ausdruckslos an, griff nach seinem Stab und stand auf. Er griff mit einer Hand nach ihrer und zog sie ohne große Mühe auf die Beine. Während er ihre Hand hielt, spürte sie, wie ihre Energie zurückkehrte.

„Wo ist er?“, fragte Argon.

Argon wartete nicht auf eine Antwort. Er wusste genau wohin er gehen musste.

Ohne ein weiteres Wort ging er los und verschwand unter den Kämpfenden.

Alistair konnte nicht fassen, dass er einfach so mitten unter die Krieger marschierte. Doch dann sah sie es. Der magische Schild, der ihn schon zuvor geschГјtzt hatte, schloss ihn auch jetzt wie eine Seifenblase ein. Alistair blieb dicht an seiner Seite und sie liefen so sicher Гјber das Schlachtfeld, als wГјrden sie an einem sonnigen Tag im Park spazieren gehen.

Sie liefen stumm Seite an Seite und Alistair hatte MГјhe mit ihm mitzuhalten.

Schließlich blieb er mitten auf dem Schlachtfeld auf einer kleinen Lichtung stehen. Auf der anderen Seite stand Rafi. Er hielt immer noch beide Arme ausgestreckt, und sang seinen Zauber. Argon hob seine Hand hoch über seinen Kopf und blickte mit weit geöffneten Augen gen Himmel.

„RAFI!“, schrie er. Es war eine Herausforderung.

Seine Stimme übertönte den Lärm der Schlacht und hallte von den Hügeln wider.

Während Argon schrie, teilten sich über ihm die Wolken und ein weißes Leuchten senkte sich vom Himmel herab auf seine Hand, als ob es ihn mit dem Himmel verbinden würde. Das Leuchten wurde stärker und immer stärker, wie ein Tornado, und hüllte bald alles um ihn herum ein.

Wind kam auf und wurde immer stärker und Alistair sah erstaunt zu, wie der Boden unter ihren Füssen zu beben begann und der Riss in der Erde sich langsam Zentimeter um Zentimeter verschloss.

Als sich der Spalt schloss, schrien dutzende von Untoten, die zerquetscht wurden, als sie gerade herauskriechen wollten.

Binnen weniger Augenblicke rutschten hunderte von Untoten zurГјck in die Tiefe aus der sie gekommen waren und der Spalt schloss sich immer weiter.

Die Erde erzitterte ein letztes Mal, und als der Spalt sich endgГјltig verschlossen hatte wurde es still. Die schrecklichen Schreie der Untoten hallten Гјber das Schlachtfeld und verstummten schlieГџlich.

FГјr einen Augenblick war es absolut still. Alle Krieger sahen sich um und versuchten zu verstehen was gerade geschehen war.

Rafie schrie wГјtend auf als er Argon entdeckte.

„ARGON!“, zischte er.

Die Zeit war gekommen fГјr die letzte Auseinandersetzung der beiden Giganten.

Rafi stürmte auf die Lichtung und hielt seinen roten Stab in die Höhe. Argon zögerte nicht und betrat seinerseits die Lichtung. Sie trafen sich in der Mitte und hatten beide ihre Stäbe hoch über ihre Köpfe erhoben. Ein weißer Blitz schoss in die Luft als sie aufeinandertrafen.

Sie tauschten Schlag um Schlag aus, griffen einander an und wehrten einander ab. Blitze schossen in alle Richtungen. Der Boden erzitterte unter ihren Schlägen und Alistair konnte die grenzenlose Energie in der Luft spüren.

SchlieГџlich fand Argon seine Gelegenheit, schlug mit seinem Stab von unten gegen Rafis und zerschmetterte ihn.

Die Erde bebte.

Argon trat einen Schritt vor, hob seinen Stab mit beiden Händen hoch über seinen Kopf und rammte ihn Rafi durch die Brust.

Rafi schrie fürchterlich und unzählige winziger Fledermäuse flogen aus seinem Mund. Für einen Augenblick färbte sich der Himmel schwarz, als sich tief dunkle Wolken über Rafi sammelten und zu Boden sanken. Die Wolken erfassten Rafi und zerrten ihn hoch in die Luft einem schrecklichen Schicksal entgegen, das sich Alistair lieber nicht ausmalen wollte.

Rafi war tot.

Argon stand schwer atmend in der Stille.

Plötzlich schrien die Untoten, die noch auf dem Schlachtfeld verblieben waren auf und einer nach dem anderen zerfiel vor den Augen der Krieger zu Asche. Bald waren von Rafis Zauber nur noch kleine graue Aschehäufchen übrig.

Alistair ließ den Blick über das Schlachtfeld schweifen und sah, dass es noch einen letzten Kampf gab, den es auszutragen galt. Auf der anderen Seite der Lichtung stand Thorgrin, ihr Bruder. Bereits ihrem Vater Andronicus gegenüber. Sie wusste, dass in diesem Kampf einer der beiden Männer sterben musste: ihr Bruder oder ihr Vater.

Sie betete, dass ihr Bruder als Sieger hervorgehen wГјrde.




KAPITEL FГњNF


Luanda lag zu Romulus Füssen und sah mit Schrecken zu, wie tausende von Empirekriegern auf die Brücke stürmten und jubelten als sie in den Ring eindrangen. Sie fielen in ihre Heimat ein, und sie konnte nichts dagegen tun, sondern war dazu verdammt, hilflos dazusitzen und zuzusehen. Sie fragte sich, ob all das ihre Schuld war. Sie fühlte sich verantwortlich für die Zerstörung des Schilds.

Luanda drehte sich um und sah am die Flotte des Empire am Horizont. So weit das Auge reichte segelten sie dicht an dicht auf das Ufer zu. Bald wГјrden Millionen von Kriegern landen und ihr Volk erledigt. Der Ring war erledigt. Aus und vorbei.

Luanda schloss ihre Augen und schüttelte den Kopf. Es hatte eine Zeit gegeben zu der sie so wütend auf Gwendolyn und ihren Vater gewesen war, dass sie mit Freuden der Zerstörung des Rings zugesehen hätte. Doch seitdem Andronicus sie betrogen hatte und sie so respektlos behandelt hatte, seit er sie vor allen Leuten geschlagen und ihr den Kopf geschoren hatte, hatte sie ihre Einstellung geändert. Sie war zu der Erkenntnis gekommen wie falsch, wie naiv ihr eigenes Streben nach Macht gewesen war. Jetzt würde sie alles geben, um ihr altes Leben zurückzubekommen. Alles was sie nun wollte war Frieden und Behaglichkeit. Sie hatte keine Ambitionen mehr, die Macht zu ergreifen. Sie wollte einfach nur überleben und ihre Fehler wiedergutmachen.

Doch während sie dem Aufmarsch der Empirekrieger zusah erkannte Luanda, dass es zu spät war. Ihre geliebte Heimat würde zerstört werden und sie konnte nichts dagegen tun.

Romulus stand über ihr und sie hörte sein Lachen, das sich mit einem seltsamen Knurren vermischte. Er hatte die Hände in die Hüften gestemmt und ein zufriedenes Grinsen auf den Lippen. Er warf den Kopf in den Nacken und lachte triumphierend.

Luanda hätte ihn nur zu gerne getötet. Wenn sie ihren Dolch gehabt hätte, hätte sie ihn diesem Monster jetzt ins Herz gerammt. Doch so wie sie ihn einschätzte, hätte der Dolch seine Haut wahrscheinlich nicht einmal angekratzt.

Romulus sah zu ihr hinunter und sein Grinsen wurde zu einer Grimasse.

„Jetzt wirst du sterben“, sagte er.

Luanda hörte das Klirren einer Waffe, die er von seinem Gürtel zog. Die Waffe sah aus wie ein kurzes Schwert, mit dem einen Unterschied, dass es spitz auf einen Punkt zulief. Eine böse Waffe, für die Folter gemacht.

„Du wirst langsam sterben und leiden, schrecklich leiden.“ flüsterte er.

Als er die Waffe senkte, hob Luanda ihre Hände vors Gesicht. Sie schloss ihre Augen und schrie. Doch dann geschah etwas Eigenartiges: Als Luanda schrie, wurde ihr Schrei von einem viel lauteren Schrei beantwortet. Dem Schrei eines Tieres. Eines Monsters. Ein urzeitlicher Schrei, lauter und voller als alles, was sie je in ihrem Leben gehört hatte. Wie das Grollen des Donners durchschnitt es die Luft.

Luanda riss die Augen zu und starrte gen Himmel. Hatte sie sich alles nur eingebildet? Es klang wie der Schrei Gottes selbst.

Romulus, der genauso erstaunt war wie sie, blickte ebenfalls gen Himmel. Der Ausdruck in seinem Gesicht bestätigte ihr, dass die es sich nicht nur eingebildet hatte.

Dann hörte sie einen zweiten Schrei, noch lauter als der erste, von derartiger Wildheit und Macht, dass Luanda erkannte, dass es nur eines sein konnte:

Ein Drachen.

Als sich die Wolken für einen Augenblick lichteten, sah Luanda erstaunt zwei riesige Drachen über sich, die größten und furchteinflößendsten Wesen, die sie je gesehen hatte. Sie waren so riesig, dass sie den Himmel über Luanda verdunkelten als sie zu ihr hinabtauchten.

Romulus ließ erschrocken seine Waffe fallen. Er hatte Drachen noch nie so nah gesehen. Sie flogen kaum mehr als fünf Meter über dem Boden. Sie schrien erneut, legten die Köpfe in den Nacken und spreizten ihre Flügel.

Zuerst dachte Luanda, dass sie gekommen waren, um sie zu töten. Doch als sie sie schnell über sich hinweg fliegen sah, erkannte sie dass sie anderes im Sinn hatten. Sie flogen über den Canyon in den Ring.

Die Drachen mussten gesehen haben, wie die Krieger Гјber die BrГјcke stГјrmten und wussten, dass der Schild sie nicht abhalten konnte.

Luanda sah die Drachen fasziniert an, als einer von ihnen plötzlich sein Maul aufriss, sich herabschwang und Feuer auf die Männer auf der Brücke regnen ließ.

Die Schreie von tausenden von Männern erhoben sich als sie vom Feuer eingeschlossen wurden.

Die Drachen flogen über die Brücke hinweg und ließen dabei weiter Feuer auf die Männer herabregnen. Sie flogen weiter in den Ring hinein und töten jeden Empirekrieger der es gewagt hatte, seinen Fuß auf die andere Seite der Brücke zu setzen.

Binnen weniger Augenblicke waren alle Männer auf der Brücke  tot. Die Männer die auf dem Weg auf die Brücke waren hielten geschockt inne. Sie wagten es nicht, die Brücke zu betreten. Stattdessen drehten sie sich um und rannten in Richtung ihrer Schiffe davon.

Romulus sah wütend zu, wie seine Männer davonliefen.

Luanda saß mindestens genauso überrascht vor ihm und erkannte, dass das ihre Chance war. Romulus war abgelenkt und jagte seinen Männern hinterher in dem erfolglosen Versuch sie aufzuhalten. Das war ihr Moment.

Sie sprang mit pochendem Herzen auf, fuhr herum und rannte zurГјck auf die BrГјcke. Sie wusste dass ihr nur ein paar kostbare Augenblicke blieben bevor Romulus ihre Flucht bemerkte. Sie betete, dass ihre RГјckkehr auf ihre Seite des Rings den Schild wiederherstellen wГјrde.

Sie musste es versuchen. Jetzt oder nie.

Luanda rannte mit zitternden Beinen los. Sie rannte so schnell sie konnte, ihr Herz schlug ihr bis zum Hals und sie hörte nichts außer ihrem eigenen Atem. Sie schaffte es etwa fünfzig Meter weit auf die Brücke bis sie den ersten Schrei hörte.

Romulus. Er hatte sie gesehen.

Plötzlich hörte sie das Klappern von Hufen hinter sich – jemand verfolgte sie.

Luanda rannte so schnell sie nur konnte vorbei an all den toten Kriegern und versuchte so gut wie möglich ihnen auszuweichen und nicht auf die schwelenden Körper zu treten.

Sie warf einen Blick über die Schulter, sah, dass die Männer auf den Pferden immer näher kamen und mit hoch erhobenen Speeren auf sie zuritten. Dieses Mal wollte Romulus ganz sicher gehen und sie töten.

Sie war sich sicher, dass sich bald einer der Speere in ihren RГјcken bohren wГјrde.

Sie wandte ihren Blick wieder nach vorn. Nur wenige Meter vor ihr war das Festland. Wenn sie es doch nur schaffen könnte. Noch drei Meter. Wenn sie von der Brücke auf festen Boden kam… vielleicht, ja vielleicht würde das den Schild wiederherstellen und sie retten.

Die Männer stürzten sich auf sie als sie die letzten Schritte aufs Festland zu machte. Der Klang der Hufe hallte in ihren Ohren und sie konnte den Schweiß der Männer und der Pferde riechen. Sie spannte sich an, war sich sicher, dass sie bald den Schmerz eines Speers in ihrem Rücken spüren würde. Sie waren nur wenige Meter von ihr entfernt, doch sie wollte nicht aufgeben.

In einem letzten Akt der Verzweiflung hechtete Luanda vor, gerade, als ein Krieger seinen Speer auf sie werfen wollte. Sie schlug hart auf den Boden auf und sah aus dem Augenwinkel, wie der Speer in ihre Richtung flog.

Doch in dem Augenblick als Luanda die unsichtbare Grenze überquert hatte und auf Boden des Rings aufschlug wurde der Schild wieder aktiviert. Der Speer löste sich nur Zentimeter hinter ihr in Luft auf. Und die Krieger hinter ihr auf der Brücke schrien und rissen ihre Hände vors Gesicht als sie in Flammen aufgingen und zu Staub zerfielen.

Augenblicke später war von ihnen nicht mehr als ein Häuflein Asche übrig, das vom Wind von der Brücke geweht wurde.

Auf der anderen Seite der BrГјcke stand Romulus und hatte alles mitangesehen. Sie senkte den Kopf und kГјsste die Erde auf der sie lag. Dann warf sie den Kopf in den Nacken und lachte erleichtert.

Sie hatte es geschafft. Sie war in Sicherheit.




KAPITEL SECHS


Thorgrin stand Andronicus gegenüber auf der großen Lichtung umringt von beiden Armeen. Die Kämpfe ruhten, als die Männer zusahen, wie sich Vater und Sohn erneut im Kampf gegenüberstanden. Andronicus stand Thor mit all seiner Macht und Pracht gegenüber und überragte ihn um mehr als einen Meter. Er ließ seine Axt kreisen und ließ sie dabei von einer Hand zur anderen wandern. Als Thor ihm gegenüberstand, zwang er sich langsam und tief zu atmen und seine Gefühle unter Kontrolle zu halten. Thor musste einen klaren Kopf behalten, sich konzentrieren, wenn er gegen diesen Mann genauso kämpfen wollte, wie gegen jeden anderen Feind. Er musste sich immer wieder vorsagen, dass er nicht gegen seinen Vater, sondern gegen seinen schlimmsten Feind kämpfte. Den Mann, der Gwendolyn so sehr verletzt hatte; den Mann, der all seinen Landsleuten schreckliches Leid zugefügt hatte; den Mann, der seine Gedanken beeinflusst hatte. Dieser Mann hatte den Tod verdient.

Nachdem Rafi tot und alle untoten Kreaturen zurück in den tiefsten Eingeweiden der Hölle waren, gab es keinen Grund mehr diese letzte Konfrontation zwischen Vater und Sohn aufzuschieben. Dieser Kampf würde den Krieg entscheiden. Thor würde ihn nicht davonkommen lassen – nicht dieses Mal, und Andronicus blieb keine andere Wahl, als sich schließlich seinem Sohn im Kampf zu stellen.

„Thornicus, du bist mein Sohn“, sagte Andronicus und seine Stimme hallte durch das Tal. „Ich will dich nicht verletzen.“

„Aber ich will dich verletzen“, gab Thor zurück und weigerte sich Andronicus� Psychospielchen mitzuspielen.

„Thornicus, mein Sohn“, wiederholte Andronicus, als Thor auf ihn zukam. „Ich will dich nicht töten. Leg� deine Waffen nieder und komm mit mir. Komm mit mir, so wie du es schon einmal getan hast. Du bist mein Sohn. Du bist nicht ihr Sohn. Mein Blut fliest durch deine Adern, nicht das dieser Leute. Meine Heimat ist deine Heimat, der Ring ist nicht mehr als ein Punkt auf der Landkarte. Er bedeutet nichts. Du gehörst zu mir. Diese Leute haben keine Bedeutung für dich. Komm nach Hause. Komm zurück mit mir ins Empire. Erlaube mir, der Vater zu sein, den du dir immer gewünscht hast. Und werde der Sohn, den ich mir immer gewünscht habe. Ich werde nicht gegen dich kämpfen“, sagte Andronicus schließlich und senkte seine Axt. Thor hatte genug gehört. Er musste jetzt zuschlagen, bevor sein Geist von diesem Monster eingelullt wurde.

Thor schrie, hob sein Schwert hoch in die Luft und stürzte sich auf seinen Vater. Er hielt das Schwert mit beiden Händen und schlug nach Andronicus� Kopf.

Andronicus sah ihn Гјberrascht an, griff in letzter Sekunde nach seiner Axt, riss sie hoch und wehrte Thors Schlag ab.

Funken flogen von Thors Schwert als ihre Waffen sich trafen. Beide stöhnten, waren nur Zentimeter voneinander entfernt und starrten einander an.

„Thornicus“, grunzte Andronicus. „Du bist stark. Doch das ist meine Stärke. Ich habe sie dir gegeben. Mein Blut fließt durch deine Adern. Hör auf mit dem Wahnsinn und komm mit mir!“

Andronicus stieГџ Thor von sich und er stolperte zurГјck.

„Niemals!“, schrie Thor trotzig. „Ich werde nie zu dir zurückkehren. Du bist nicht mein Vater. Du bist ein Fremder! Du verdienst es nicht, mein Vater zu sein!“

Thor stürmte wieder nach vorn, schrie und hieb mit dem Schwert nach Andronicus. Er blockte den Schlag, doch Thor hatte damit gerechnet, fuhr herum und schlitzte Andronicus� Arm auf.

Andronicus schrie auf und Blut spritzte aus seiner Wunde.

Er stolperte zurück, griff nach seiner Wunde, und sah Thor ungläubig an.

„Du willst mich wirklich töten“, sagte Andronicus, als hätte er es gerade erst begriffen. „Nach allem, was ich für dich getan habe!“

„Und wie ich das will“, sagte Thorgrin.

Andronicus studierte ihn wie einen Fremden, und bald wandelte sich sein Blick von Erstaunen und Enttäuschung zu einem Ausdruck von Wut.

„Dann bist du nicht mein Sohn!“, schrie er. „Der Große Andronicus fragt nicht zweimal!“

Andronicus warf sein Schwert zu Boden, riss seine Axt mit beiden Händen hoch und stürzte sich mit einem Schrei auf Thor.

Der Kampf hatte begonnen.

Thor hob sein Schwert um den Schlag abzuwehren, doch Andronicus Schlag kam mit solcher Wucht, dass zu Thors Гњberraschung sein Schwert in zwei Teile zerbrach.

Thor duckte sich und konnte den Wind der vorbeizischenden Axt in seinem Gesicht spüren. Sein Vater war unglaublich stark, stärker als jeder andere Krieger, gegen den er je gekämpft hatte, und er war noch dazu schnell – eine tödliche Kombination. Thor wusste, dass es nicht leicht sein würde. Doch zuerst brauchte er eine Waffe.

Andronicus schlug ohne zu zögern erneut zu, diesmal von der Seite.

Thor sprang hoch in die Luft, hoch Гјber Andronicus Kopf. Er nutzte seine innere Kraft um Гјber Andronicus hinweg zu springen und hinter ihm zu landen. Er kam sicher auf seinen FГјssen zu stehen, hob das Schwert seines Vaters vom Boden auf und stГјrzte sich damit wieder auf Andronicus.

Doch zu Thors Überraschung war Andronicus auch auf diesen Angriff vorbereitet. Er fuhr herum und wehrte den Schlag ab. Metall traf auf Metall und Thors ganzer Körper vibrierte. Andronicus Schwert schien zum Glück stärker als seines zu sein. Es fühlte sich seltsam an das Schwert seines Vaters in Händen zu halten, ganz besonders im Kampf gegen ihn.

Thor schwang herum und hieb seitlich auf Andronicus Schulter ein. Andronicus blockte den Schlag und hieb seinerseits nach Thor. Es ging hin und her, Angriff und Block. Einmal gelang es Thor Andronicus zurückzutreiben, dann wieder umgekehrt. Funken flogen, die Waffen zischten schnell durch die Luft und schillerten im Licht – und beide Armeen sahen gebannt zu.

Die beiden trieben einander Гјber die Lichtung, doch keinem gelang es, die Гњberhand zu gewinnen.

Thor hob sein Schwert um erneut zuzuschlagen, doch Andronicus überraschte ihn mit einem Tritt gegen die Brust. Thor stürzte rücklings zu Boden und Andronicus schlug mit seiner Axt zu. Thor rollte zur Seite. Doch nicht schnell genug: die Axt kratzte an Thors Arm vorbei, und riss eine blutende Wunde. Thor schrie, fuhr herum und hieb mit seinem Schwert gegen Andronicus� Wade.

Andronicus stolperte und schrie und Thor sprang wieder auf. Beide standen sich nun verletzt gegenГјber.

„Ich bin stärker als du, Sohn“, sagte Andronicus. „Und erfahrener im Kampf. Gib auf. Deine druidischen Kräfte wirken bei mir nicht. Hier ist es nur Mann gegen Mann, Schwert gegen Schwert. Und ich bin der bessere Krieger. Ich weiß das. Ergib dich mir und ich werde dich nicht töten.

Thor verzog das Gesicht.

„Ich ergebe mich niemandem! Und schon gar nicht dir!“

Thor zwang sich, an Gwendolyn zu denken, daran, was Andronicus ihr angetan hatte und seine Wut wuchs. Es war an der Zeit. Thor war entschlossen, Andronicus ein für alle Mal zu töten, wollte diese schreckliche Kreatur zurück in die Hölle schicken.

Mit einem letzten Ausbruch von Kraft und einem animalischen Brüllen hieb er mit dem Schwert auf Andronicus ein, links und rechts, Schritt um Schritt. Der Kampf ging weiter und Andronicus schien überrascht zu sein, dass sein Sohn so lange so kraftvoll kämpfen konnte. Thor fand seine Gelegenheit, als Andronicus Arme für einen Augenblick müde zu werden schienen. Thor schwang sein Schwert nach dem Axtkopf und es gelang ihm, Andronicus die Waffe aus der Hand zu schlagen.

Andronicus sah geschockt zu, wie seine Axt durch die Luft flog. Thor trat seinem Vater in die Brust und warf ihn zu Boden. Bevor er aufstehen konnte war Thor schon Гјber ihm und trat ihm mit dem FuГџ auf den Hals.

Blut quoll aus Andronicus Mund und er lächelte.

„Du kannst es nicht tun, Sohn“, sagte er. „Das ist deine Schwäche. Deine Liebe zu mir. Genauso wie meine Liebe zu dir meine Schwäche ist. Ich könnte dich niemals töten. Nicht jetzt, nicht irgendwann. Der Kampf ist sinnlos. Du wirst mich gehen lassen. Denn du und ich sind Eins.“

Thor stand über ihm und drückte mit zitternden Händen die Spitze seines Schwertes gegen Andronicus� Hals. Langsam hob er es hoch. Ein Teil von ihm wusste, dass die Worte seines Vaters wahr waren. Wie konnte er nur seinen Vater töten wollen?

Doch als er auf ihn hinabstarrte, dachte er an all die Schmerzen, all den Schaden, den sein Vater allen um ihn herum zugefügt hatte. Er dachte, daran, was es ihn kosten würde, wenn er ihn am Leben lassen würde. Der Preis war Barmherzigkeit. Es war ein zu großer Preis, nicht gerecht für Thorgrin, doch für alle anderen die er liebte. Thor warf einen Blick über die Schulter und sah die ungezählten Empirekrieger, die seine Heimat überfallen hatten und mit den Waffen in der Hand bereit dastanden, seine Leute anzugreifen. Dieser Mann war ihr Anführer. Thor war es seiner Heimat schuldig. Er war es Gwendolyn schuldig. Und am allermeisten sich selbst. Dieser Mann mochte von Blutes wegen sein Vater sein, doch mehr nicht. In keinem anderen Sinn des Wortes war das sein Vater. Und Blut alleine machte noch lange keinen Vater aus.

Thor hob sein Schwert, schloss seine Augen, und lieГџ es begleitet von einem lauten Schrei herunterfahren.

Er Г¶ffnete seine Augen wieder und sah, dass das Schwert neben Andronicus Kopf in der Erde steckte. Thor lieГџ es stecken und wandte sich ab.

Sein Vater hatte Recht gehabt: Er war nicht in der Lage dazu, es zu tun. Trotz allem konnte er es nicht über sich bringen, einen wehrlosen Mann zu töten.

Thor wandte sich von seinem Vater ab und seinen Leuten und Gwendolyn zu. Er hatte den Kampf gewonnen; hatte bewiesen, was er beweisen wollte. Wenn Andronicus auch nur einen Funken Ehre im Leib hatte wГјrde ihm nichts anderes Гјbrig bleiben als ins Empire zurГјckzukehren.

„THORGRIN!“, schrie Gwendolyn.

Thor fuhr herum und sah im letzten Augenblick, wie Andronicus seine Axt nach ihm schwang. Er duckte sich, und spГјrte den Windhauch in seinem Gesicht als die Axt an ihm vorbeizischte.

Doch Andronicus war schnell. In der gleichen Bewegung fuhr er herum und versetzte Thor mit seinem eisernen Handschuh eine Ohrfeige, die ihn zu Boden schickte.

Thor spГјrte, wie eine Rippe brach, als Andronicus ihn trat. Er keuchte und rang nach Luft.

Thor lag schwer atmend da, seine Rippen schmerzten, und Blut tropfte aus seinem Mundwinkel. Es kostete ihm alle Kraft aufzustehen. Aus dem Augenwinkel sah er, wie Andronicus breit grinsend erneut mit der Axt ausholte und auf Thors Kopf zielte. Am Blick in Andronicus� blutunterlaufenen Augen konnte Thor sehen, dass dieser kein Mitgefühl mit ihm haben würde.

„Das hätte ich schon vor dreißig Jahren tun sollen!“, knurrte Andronicus.

Mit einem Schrei lieГџ Andronicus die Axt auf Thors ungeschГјtzten Nacken hinuntersausen.

Doch Thor war nicht bereit zu sterben; mit einem letzten Energieschub Гјberwand er seine Schmerzen, rappelte sich auf, rammte seinem Vater die Schulter in die Rippen und riss ihn zu Boden.

Thor und Andronicus wälzten sich im Staub. Andronicus griff Thors Hals und Thor war überrascht von der Stärke seines Griffs. Er würgte ihn und Thor rang atemlos nach Luft. Verzweifelt tastete Thor nach seinem Gürtel an dem sein Dolch hing. Der königliche Dolch, den er von König MacGil erhalten hatte kurz bevor er gestorben war.

Mit dem letzten Bisschen Luft fand er ihn und rammte ihn Andronicus in die Brust.

Andronicus schoss in die Höhe, seine Augen traten geschockt weit aus den Höhlen.

Thor wurde schwarz vor Augen und er begann, das Bewusstsein zu verlieren, als sich Andronicus Griff endlich lockerte. Andronicus sackte zur Seite und starrte ihn ungläubig an. Thor befreite sich von den Händen seines Vaters, die leblos zu Boden fielen.

Andronicus war tot.

Thor keuchte und rang nach Luft. Er zitterte am ganzen Körper.

Er hatte gerade seinen Vater getötet. Niemals hätte er gedacht, dass das möglich war.

Thor sah sich um und sah, dass die Krieger beider Armeen ihn schockiert ansahen. Er spürte, wie eine unglaubliche Hitze in seinem Körper aufstieg, gerade so, als hätte sich etwas in ihm grundlegend verändert, als hätte er mit dem Dolchstoß auch das Böse in sich selbst vernichtet. Er fühlte sich leichter und voller Energie.

Thor hörte ein lautes Grollen am Himmel, wie Donner, und als er nach oben sah, bemerkte er eine dunkle Wolke über Andronicus totem Körper aus der sich schwarze Schatten in einem Wirbel herabsenkten. Sie wirbelten unter dem lauten Heulen des Windes um seinen Vater herum, schlossen ihn ein und hoben seinen Körper immer höher und höher in die Wolke hinein. Thor sah schockiert zu und fragte sich, wohin die Seele seines Vaters wohl verschleppt wurde.

Thor wandte den Blick wieder zurück zur Erde und sah, wie tausende und abertausende von Empirekriegern ihm gegenüberstanden. Rache brannte in ihren Augen. Der Große Andronicus war tot, doch seine Männer waren sehr lebendig. Sie waren Thor und seinen Männern hundert zu eins überlegen. Thor hatte den Kampf gegen seinen Vater gewonnen, doch er war im Begriff, den Krieg zu verlieren. Erec, Kendrick, Srog und Bronson bezogen mit gezogenen Schwertern neben Thor Stellung und bereiteten sich auf den letzten Kampf vor. Einen Kampf, den sie nicht gewinnen konnten. Bis auf die Hörner der Empirekrieger, die durch das Tal schallten, war alles Still.

Sie konnten nicht gewinnen, doch sie wГјrde mit Ehre untergehen.




KAPITEL SIEBEN


Reece ging neben Selese her. Gemeinsam mit Illepra, Elden, Indra, O’Connor, Conven, Krog und Serna waren sie schon seit Stunden in Richtung Westen unterwegs. Reece wusste nicht, ob seine Leute am tot oder am Leben waren, doch er war fest entschlossen, sie zu finden.

Er war schockiert gewesen von der Zerstörung, von den endlosen Schlachtfeldern auf denen sich die Vögel über die verkohlten Leichen hermachten. Tausende von toten Empirekriegern säumten ihren Weg. Rauch hing über der Ebene vermischt mit dem unerträglichen Gestank von verbranntem Fleisch. Doch sie sahen nicht nur die feindlichen Krieger, die den Drachen zum Opfer gefallen waren. Die Schlachten zwischen den Armeen des Rings und den Einheiten des Empire hatten ganze Städte verwüstet zurückgelassen. Reece schüttelte den Kopf. Dieses einst so reiche Land lag nun vom Krieg zerstört vor ihm.

Seit sie aus dem Canyon gekommen waren, waren Reece und die anderen fest entschlossen gewesen, nach Hause auf die MacGil Seite des Rings zurückzukehren. Sa sie keine Pferde finden konnten waren sie den ganzen Weg durch das Westliche Königreich zu Fuß marschiert, bis hoch in die Highlands und auf der anderen Seite wieder hinunter. Endlich waren sie wieder auf heimatlichem Boden unterwegs. Doch unterwegs begegnete ihnen nur Tod und Zerstörung. So wie das Land aussah, hatten die Drachen ganze Bataillone des Empire zerstört und dafür war Reece ihnen unglaublich dankbar. Doch Reece wusste immer noch nicht, in welchem Zustand er seine Leute vorfinden würde. Waren sie etwa alle tot? Bisher waren sie zumindest keiner Menschenseele begegnet und Reece brannte danach zu erfahren, wie es den anderen ergangen war.

Jedes Mal wenn sie ein Schlachtfeld fanden, das nicht von den Drachen in Asche verwandelt worden war, gingen Illepra und Selese von einem Körper zum nächsten um nach Überlebenden zu suchen. Sie wurden nicht nur von ihrem Eid als Heiler dazu getrieben; Illepra hatte noch ein anderes Ziel vor Augen. Sie wollte Reeces Bruder finden – Godfrey – und Reece teilte dieses Ziel.

„Er ist nicht hier“, verkündete Illepra zum wiederholten Male, nachdem sie auch die letzte Leiche auf dem Feld umgedreht hatte. Die Enttäuschung stand in ihr Gesicht geschrieben.

Reece konnte sehen, wie sehr sich Illepra um seinen Bruder sorgte und war davon gerГјhrt. Auch Reece hoffte, dass er unter den Lebenden war und es ihm gut ging, doch Angesichts der tausenden von Toten schwand seine Hoffnung immer mehr.

Sie gingen weiter Гјber einer Reihe von HГјgeln und sahen ein weiteres Schlachtfeld in der Ferne auf dem wieder tausende von Toten lagen.

Während sie darauf zugingen weinte Illepra still vor sich hin. Selese legte ihr die Hand auf den Arm.

„Er ist am Leben“, versicherte sie. „Mach dir keine Sorgen.“

Reece trat neben sie und legte ihr beruhigend die Hand auf die Schulter. Sie tat ihm leid.

„Wenn es eines gibt, das ich über meinen Bruder weiß“, sagte Reece, „dann ist es, dass er ein Überlebenskünstler ist. Er kommt aus allem heraus. Er ist nicht tot. Ich verspreche dir, Godfrey sitzt mit Sicherheit gerade irgendwo in einer Taverne und betrinkt sich.“

Illepra musste lachen und wischte die Tränen fort.

„Ich hoffe es“, sagte sie. „Und diesmal wäre ich ihm nicht einmal böse.“

Sie gingen still weiter durch die Einöde, und jeder von ihnen hing seinen Gedanken nach. Bilder des Canyons blitzten in Reeces Geist auf; er konnte sie nicht unterdrücken. Er dachte an die verzweifelte Situation zurück, in der sie gewesen waren, und war Selese so dankbar; wenn sie nicht in genau jenem Augenblick aufgetaucht wäre, dann wären sie jetzt wahrscheinlich schon tot.

Reece griff nach Seleses Hand und lächelte sie an. Hand in Hand gingen sie weiter.

Ihre Liebe und Zuneigung berГјhrten in tief, ihre Bereitschaft, das ganze Land zu durchqueren, um ihn zu retten. Er war so voller Liebe zu ihr und konnte kaum abwarten, bis sie alleine waren und er es ihr zeigen konnte. Er hatte beschlossen und war sich sicher, dass er fГјr immer mit ihr zusammen sein wollte. Er fГјhlte sich ihr so sehr in Treue verbunden wie nie jemand anderem vor ihr. Er schwor sich, dass er um ihre Hand anhalten wГјrde, sobald sie einen Augenblick alleine waren. Er wГјrde ihr den Ring geben, den er von seiner Mutter mit der Ermahnung erhalten hatte, ihn der Liebe seines Lebens zu geben, wenn er sie gefunden hatte.

„Ich kann nicht glauben, dass du den Ring für mich durchquert hast“, sagte Reece zu ihr.

Sie lächelte.

„Es war gar nicht so weit“, antwortete sie.

„Nicht wie?“, fragte er. „Es ist gefährliche ein so vom Krieg gebeuteltes Land zu durchqueren. Ich stehe tief in deiner Schuld. Tiefer als Worte auszudrücken vermögen.“

„Du schuldest mir nichts. Ich bin einfach nur froh, dass du am Leben bist!“

„Wir alle stehen in deiner Schuld“, mischte sich Elden ein. „Du hast uns alle gerettet. Sonst wären wir auf ewig dort unten gefangen.“

„Wo wir gerade von Schulden sprechen. Ich muss mit dir reden“, sagte Krog und hinkte an Reeces Seite. Nachdem Illepra sein Bein geschient und ihm etwas gegen die Schmerzen gegeben hatte konnte er zumindest alleine laufen, wenn auch ein wenig steif.

„Du hast mich dort unten mehr als einmal gerettet“, fuhr Krog fort. „Ziemlich dumm von dir, wenn du mich fragst. Doch du hast es trotzdem getan. Bilde dir aber bloß nicht ein, dass ich dir irgendetwas schuldig bin.“

Reece schГјttelte den Kopf. Krogs unverblГјmte Schroffheit verblГјffte ihn immer wieder.

„Mir ist nicht ganz klar ob du versuchst mich zu beleidigen oder dich bei mir zu bedanken“, sagte Reece.

„So bin ich eben“, sagte Krog. „Ich werde von nun an deinen Rücken stärken. Nicht weil ich dich mag, sondern weil ich mich dazu berufen fühle.“

Reece schГјttelte den Kopf, Krog machte ihn sprachlos.

„Mach dir keine Sorgen“, sagte er. „Ich kann dich auch nicht leiden.“

Sie liefen weiter, entspannt, froh am Leben und vor allem auf ihrer Seite des Canyon zu sein. Alle außer Conven, der still in einiger Entfernung vor den anderen herlief. Er hatte sich in sich selbst zurückgezogen, nachdem sein Zwillingsbruder im Empire getötet worden war. Nichts schien ihn von seiner Trauer ablenken zu können.

Reece dachte daran, wie Conven sich im Canyon immer und immer wieder scheinbar furchtlos in die Gefahr gestГјrzt hatte und mehr als einmal sein Leben riskiert hatte, um die andere zu retten. Er machte sich Sorgen um ihn. Reece sah ihn nicht gerne so einsam und verloren in seiner Depression.

Reece holte zu ihm auf.

„Du hast da hinten ganz fantastisch gekämpft.“, sagte Reece.

Conven zuckte mit den Schulten und senkte den Blick.

Während Reece still neben ihm herlief zermarterte sich den Kopf darüber, was er sagen konnte

„Bist du froh, wieder zu Hause zu sein?“, fragte Reece. „Frei zu sein?“

Conven drehte sich um und sah ihn mit leerem Blick an.

„Ich bin nicht zu Hause und ich bin auch nicht frei. Mein Bruder ist tot und ich habe kein Recht, ohne ihn weiterzuleben.“

Reece fuhr es bei seinen Worten eiskalt über den Rücken. Conven war überwältigt von Trauer. Seine Augen waren leer, er wirkte mehr tot als lebendig. Reece erinnerte sich daran wie er früher gewesen war: voller Lebensfreude und Optimismus. Er konnte sehen, dass seine Trauer noch immer tief saß, und befürchtete, dass sie ihn vielleicht nie wieder loslassen würde. Reece fragte sich, was aus Conven werden würde und hatte dabei ein schrecklich ungutes Gefühl.

Sie gingen immer weiter und die Stunden verstrichen. Sie erreichten ein weiteres Schlachtfeld, das dicht an dicht mit Leichen übersät war. Illepra, Selese und die anderen verteilten sich und sahen jedem einzelnen gefallenen Krieger ins Gesicht, immer in der Hoffnung, dass es nicht Godfrey war.

„Ich sehe eine ganze Menge mehr MacGils auf diesem Feld“, sagte Illepra. „Und hier waren die Drachen nicht. Vielleicht ist Godfrey ja hier.“

Reece sah sich um, sah tausende von gefallenen Kriegern und fragte sich ob sie ihn je finden würden selbst wenn er hier war. Er sah in die Gesichter der Toten auf dem Feld, einige kannte er, hatte selbst sogar einmal an ihrer Seite gekämpft, andere waren ihm Fremd. Reece staunte über die Zerstörung, die wie eine Plage über seine Heimat hereingebrochen war und hoffte, dass endlich bald alles vorbei sein würde. Er hatte mehr als genug Schlachten, Kämpfe und tote Kameraden gesehen. Er wollte endlich Frieden, damit die Menschen heilen und mit dem Wiederaufbau beginnen konnten.

„HIER!“, schrie Indra aufgeregt. Sie stand über einem Körper und starrte auf ihn herab.

Illepra fuhr herum und rannte zu ihr hinüber. Sie kniete neben dem Körper und Tränen rannen ihr über das Gesicht. Reece kam hinzu und keuchte – es war Godfrey.

Godfrey lag mit geschlossenen Augen da. Er war unrasiert und blass, seine Hände waren blau von der Kälte – er sah aus, als wäre er tot.

Illepra schГјttelte ihn immer wieder, doch er reagierte nicht.

„Godfrey! Bitte! Wach auf! Ich bin es, Illepra! GODFREY!“

Sie schГјttelte ihn wieder und wieder doch es geschah nichts. Panisch drehte sie sich zu den anderen um und suchte mit den Augen etwas an ihren GГјrteln.

„Dein Weinschlauch!“, forderte sie O’Connor auf.

O’Connor zog ihn hastig von seinem Gürtel und gab ihn Illepra.

Sie nahm ihn und spritzte etwas Wein auf seine Lippen. Dann hob sie seinen Kopf, öffnete seinen Mund und träufelte ihm etwas auf die Zunge.

Plötzlich leckte sich Godfrey die Lippen und schluckte.

Er hustete, setzte sich auf, griff mit noch immer geschlossenen Augen nach dem Sack und trank durstig. Langsam Г¶ffnete er seine Augen und wischte seinen Mund mit dem HandrГјcken ab, dann sah er sich ein wenig desorientiert um und rГјlpste.

Illepra quietschte vor Freude und fiel ihm in die Arme.

„Du lebst!“, rief sie.

Reece seufzte erleichtert, als er seinen Bruder zwar verwirrt und ramponiert, aber am Leben sah.

Elden und Serna packten Godfrey unter den Achseln und zogen ihn auf die Beine. Godfrey stand zunächst etwas wackelig da und nahm noch einen langen Schluck aus dem Weinschlauch.

Godfrey sah sich verschlafen um.

„Wo bin ich?“, fragte er. Er rieb sich den Kopf und betastete vorsichtig eine riesige Beule.

Illepra betrachtete seine Verletzung eingehend, fuhr mit den Fingern Гјber die Beule und das getrocknete Blut in seinen Haaren.

„Du bist verletzt“, sagte sie. „Doch du kannst stolz sein: Du bist am Leben und in Sicherheit“

Godfrey schwankte und die anderen hielten ihn fest.

„Es ist nichts Ernstes“, sagte sie, während sie die Beule weiter untersuchte, „doch du musst dich ausruhen.“

Sie zog einen Verband aus ihrer Tasche und begann, ihn um seinen Kopf zu wickeln. Godfrey wimmerte und sah sie an. Dann sah er sich um und entdeckte mit weit aufgerissenen Augen die Leichen um sich herum.

„Ich bin am Leben“, flüsterte er. „Ich kann es kaum glauben.“

„Du hast es geschafft.“, sagte Reece und legte seinem älteren Bruder glücklich die Hand auf die Schulter. „Ich wusste, dass du es schaffen würdest.“

Illepra umarmte ihn und langsam hob er seine Arme und erwiderte ihre Geste.

„Also so fühlt es sich das an, wenn man ein Held ist.“, stellte Godfrey fest, und die anderen lachten. „Gib mir mehr von dem Wein hier und ich mache das öfters.“

Godfrey nahm einen weiteren langen Schluck und ging auf Illepra gestГјtzt mit den anderen mit.

„Wo sind die anderen?“, fragte Godfrey im Gehen.

„Wissen wir nicht“, sagte Reece. „Irgendwo im Westen, hoffe ich. Dahin wollen wir gehen, in Richtung King’s Court um zu sehen, wer noch am Leben ist.“

Reece musste schlucken, als er die Worte ausgesprochen hatte. Er wandte den Blick in Richtung Horizont und betete, dass seine Landsleute ein Г¤hnliches Schicksal wie Godfrey teilten. Er dachte an Thor, seine Schwester Gwendolyn, seinen Bruder Kendrick und die vielen anderen, die ihm so wichtig waren. Doch er wusste, dass der GroГџteil der Armee des Empire noch vor ihnen lag und wenn er an die Zahl der Toten dachte, die sie bisher gesehen hatten, befГјrchtete er, dass ihnen das Schlimmste noch bevorstand.




KAPITEL ACHT


Thorgrin, Kendrick, Erec, Srog und Bronson standen wie eine Mauer der Armee des Empire gegenüber. Hinter ihnen standen ihre Männer mit gezogenen Waffen und waren ebenso bereit, sich dem Angriff des Empire zu stellen. Thor wusste, dass er hier sterben und dies sein letzter Kampf sein würde, doch er bedauerte es nicht. Er würde hier mit der Waffe in der Hand an der Seite seiner Waffenbrüder bei der Verteidigung seines Heimatlandes sterben. Ihm war eine Gelegenheit gegeben worden, wiedergutzumachen was er getan hatte, und mehr erwartete er nicht.

Thor dachte an Gwendolyn und wünschte sich nur um ihretwillen, dass ihm mehr Zeit blieb und betete, dass Steffen sie sicher fortgebracht hatte. Er war fest entschlossen, alles zu geben und so viele feindliche Krieger wie möglich zu töten, bevor er selbst sein Ende fand.

Thor konnte die Nähe und Solidarität seiner Waffenbrüder spüren. Keiner von ihnen hatte Angst und sie standen heldenhaft da, in der Erwartung der Schlacht, die folgen würde. Sie waren die besten Krieger des Königreichs, die besten Ritter der Silver, der MacGils und Silesier – und alle standen sie vereint der Übermacht entgegen. Jeder einzelne von ihnen war bereit, sein Leben zu geben, um seine Heimat zu verteidigen; jeder einzelne von ihnen maß Ehre und Freiheit mehr Bedeutung zu als dem Leben selbst.

Thor hörte die Hörner des Empire, die über das Schlachtfeld schallten und sah zu, wie sich die Männer formierten. Die Krieger, die ihnen gegenüberstanden waren überaus diszipliniert und hatten erbarmungslose Anführer, die ihr Leben lang nichts anderes getan hatten, als zu kämpfen. Es war eine gut geölte Kriegsmaschinerie, bereit den Kampf auch nach dem Tod ihres Anführers fortzuführen. Ein paar Kommandanten waren vorgetreten und hatten die Führung übernommen.

Die Zahl ihrer Feinde war gigantisch, und Thor wusste, dass er sie mit seinen wenigen Männern nicht besiegen konnte. Doch das machte nichts mehr aus. Es war egal, ob sie alle starben. Wichtig war einzig und allein wie sie starben.

„Sollen wir warten bis sie uns angreifen?“, fragte Erec laut. „Oder sollen wir sie nach MacGil Art begrüßen?“

Thor und die anderen lächelten. Es war mehr als waghalsig, mit einer kleinen Armee eine viel größere anzugreifen, doch sie hatten ohnehin nichts mehr zu verlieren.

Sie stießen einen lauten Kampfschrei aus und stürzten los. Zu Fuß stürmten sie auf die Armee des Empire zu und ihre Männer folgten ihnen. Thor hielt sein Schwert hoch über seinem Kopf und stürmte er neben seinen Waffenbrüdern her. Kalter Wind peitschte ihm ins Gesicht und Thor erinnerte Thor daran, wie es sich anfühlte, am Leben zu sein.

Die beiden Armeen stГјrmten aufeinander zu. In wenigen Augenblicken wГјrden sie aufeinandertreffen und das Schlachten beginnen.

Thor hieb mit dem Schwert in alle Richtungen und warf sich auf die erste Reihe der feindlichen Krieger, die mit Speere, Lanzen und Piken bewaffnet waren. Die erste Pike hackte Thor entzwei und rammte dem Krieger sein Schwert in den Bauch.

Thor duckte sich und wich mehreren Lanzen aus, die in seine Richtung stießen, wirbelte mit seinem Schwert herum und ließ die Waffen der Empirekrieger unter seinem Schwert zersplittern. Gleichzeitig trat er einem Krieger in die Brust, versetzte einem anderen mit dem Handschuh einen Schlag ins Gesicht, fuhr herum und brach dem Nächsten mit dem Ellenbogen die Nase, schlitzte dessen Nebenmann auf und erstach einen Dritten. Thor war eine Ein-Mann-Kriegsmaschine und hieb und schlug sich seinen Weg durch die zahlenmäßig weit überlegenen Feinde.

Um ihn herum taten seine Freunde es ihm nach, kämpften mit unglaublicher Geschwindigkeit, Kraft und Kampfgeist, und warfen sich mit tollkühnem Mut auf die Feinde. Keiner zögerte auch nur einen Augenblick, keiner trat den Rückzug an.

Überall um Thor herum trafen seine Männer auf die feindlichen Krieger. Sie schrien und grunzten und kämpften Mann gegen Mann in einer grausamen Schlacht – der Schlacht, die das Schicksal des Rings entscheiden würde.

Trotz der feindlichen Übermacht gewannen die Männer des Rings Schwung. Es gelang ihnen nicht nur, sie in Schach zu halten, sondern sie sogar zurück zu treiben.

Thor wand einem Empirekrieger seinen Kriegsflegel aus der Hand, trat ihm in den Rücken, schwang den Flegel und schlug ihm die Schläfe ein. Dann schwang er den Flegel hoch über seinem Kopf in einem weiten Kreis und schaltete mehrere andere feindliche Krieger aus. Thor schleuderte ihn in die Menge und tötete dabei noch ein paar weitere Männer. Dann riss er wieder sein Schwert hoch und hieb wie besessen um sich bis seine Arme und Schultern müde wurden. Einmal war er ein klein Wenig zu langsam und sah zu spät, dass ein Empirekrieger mit dem Schwert nach ihm schlug. Thor fuhr herum, doch konnte nur hilflos mit ansehen, wie das Schwert auf ihn zuraste.

Mit lautem Fauchen schoss Krohn hoch, brachte mit einem beherzten Sprung an den Hals des Mannes das Schwert zu Fall und rettete Thor.

Stunden vergingen im Kampf Mann gegen Mann. Während Thor von ihren Erfolgen begeistert war, wurde doch schnell klar, dass sie mit all ihren Anstrengungen das Unvermeidliche nur aufschoben. Egal wie viele Feinde sie ausschalteten, der Nachschub schien unendlich ins Tal zu strömen. Und während Thor und seine Männer müde wurden, kamen auf Seiten des Empire ausgeruhte Krieger nach.

Thor verlor an Schwung und konnte die feindlichen Krieger nicht mehr so schnell wie zuvor abwehren. Plötzlich spürte er einen Schlag auf die Schulter und schrie vor Schmerz auf. Blut lief aus der Wunde seinen Arm hinab. Vom Schmerz abgelenkt bekam er einen Ellenbogen in die Rippen in und einen Axthieb konnte er im letzten Moment mit seinem Schild abwehren.

Thor konnte seine Position kaum noch halten, und als er sich umsah, bemerkte er, dass es den anderen nicht besser ging. Das Blatt schien sich wieder gegen sie zu wenden. Thor hörte die Todesschreie von viel zu vielen seiner Männer. Nach Stunden erbarmungslosen Kampfes waren sie im Begriff zu verlieren. Bald würde alles vorbei sein. Er dachte an Gwendolyn und weigerte sich, es zu akzeptieren.

Thor war seinen Kopf in den Nacken und rief verzweifelt an, welche Kräfte ihm geblieben waren. Doch seine druidischen Kräfte hörten seinen ruf nicht. Er spürte, dass seine Zeit unter Andronicus� Zauber ihn zu viel Kraft gekostet hatte und er Zeit brauchte, sich zu erholen. Er bemerkte Argon auf dem Schlachtfeld. Auch er schien nicht mehr so mächtig zu sein wie zuvor. Seine Kräfte waren von der epischen Schlacht mit Rafi aufgezehrt worden.

Auch Alistair war geschwächt, nachdem sie ihre Kräfte gebraucht hatte, um Argon wieder zu erwecken. Sie hatten nichts mehr, worauf sie zurückfallen konnten, außer der Stärke ihrer Waffen.

Thor warf seinen Kopf in den Nacken und schrie verzweifelt gen Himmel. Er wollte eine Veränderung erzwingen.

Bitte Gott, betete er. Ich flehe dich an. Rette uns an diesem Tag. Ich bitte dich. Ich frage keinen Mann, nicht meine Kräfte, niemand anderen außer dir um Hilfe. Bitte gib mir ein Zeichen deiner Macht!“

Plötzlich hörte Thor erschrocken ein lautes Brüllen am Himmel. So laut, als wollte es den Himmel und die Erde sprengen.

Thors Herz schlug schneller, denn er erkannte das Brüllen sofort. Er blickte zum Horizont und sah, wie seine alte Freundin Mycoples zwischen den Wolken hindurchbrach. Thor erschrak, doch er war glücklich zu sehen, dass sie frei und am Leben war. Sie war zurück im Ring und kam auf ihn zugeflogen. Es war, als wäre ein Teil von ihm selbst zurückgekehrt.

Noch überraschender war, dass Mycoples einen zweiten Drachen mitgebracht hatte: Es war ein männlicher Drache, seine verblassenden roten Schuppen ließen darauf schließen dass er Uralt war. Er hatte wache grüne Augen und war noch viel grösser als Mycoples. Thor sah zu, wie die beiden elegant durch die Wolken tauchten und auf ihn zukamen. Seine Gebete waren beantwortet worden.

Mycoples schlug mit ihren Flügeln und schrie und beide Drachen ließen Feuer auf die Empirekrieger unter sich herabregnen. Der kalte Wintertag wurde plötzlich warm, dann heiß, als die Feuerwalze auf Thor und seine Männer zurollte. Thor hob seine Arme zum Schutz vors Gesicht

Die Drachen hatten die hintere Flanke des Empire angegriffen und das Feuer war noch nicht zu Thor vorgedrungen. Dennoch konnte Thor die Hitze spГјren.

Die Schreie von tausenden von Männern erhoben sich, als die Drachen die Armee des Empire Division um Division in feurigen Regen tauchten. Zehntausende Männer schrien um ihr Leben. Sie rannten in alle Richtungen, doch es gab keinen Ausweg. Die Drachen waren erbarmungslos. Sie wüteten, waren voller Zorn und bereit, Rache am Empire zu üben.

Eine Division nach der anderen wurde ein Raub der Flammen.

Die verbliebenen Krieger vor Thor und seinen Männern drehten sich in Panik um und ergriffen die Flucht. Sie versuchten den Drachen zu entkommen, die am Himmel kreuzten und ohne Pause Feuer spien. Doch sie rannten in den sicheren Tod, denn die Drachen begannen, die fliehenden Empirekrieger zu jagen und einzeln zu töten.

Bald stand Thor einem leeren Feld voller schwarzer Rauchwolken gegenГјber. Der Geruch von verbranntem Fleisch lag in der Luft, es roch nach Schwefel, dem Atem der Drachen.

Als sich die Wolken lichteten, gaben sie den Blick auf ein verbranntes Ödland frei. Nicht eine Menschenseele war am Leben, die Bäume waren verkohlt und die Wiesen zu Asche verbrannt. Die Armee des Empire, die Minuten zuvor so unbesiegbar erschien, war nun ausgelöscht.

Thor stand geschockt und froh zugleich da. Er wГјrde den Tag Гјberleben. Sie alle wГјrden leben. Der Ring war frei. Endlich waren sie alle frei.

Mycoples tauchte hinab und landete vor Thor. Sie schnaubte und legte ihren Kopf ab.

Thor trat lächelnd auf seine alte Freundin zu und Mycoples schnurrte. Thor strich ihr sanft über die Schuppen in ihrem Gesicht und sie rieb ihre Nase an seiner Brust. Sie Schnurrte zufrieden und sie war genauso glücklich über das Wiedersehen mit Thor wie er.

Thor kletterte auf ihren Rücken, und lenkte sie herum. Auf ihr sitzend sah er seine Männer an, die ihn überrascht und voller Freude entgegenblickten, als er sein Schwert zog und es gen Himmel streckte.

Die Männer hoben ihre Schwerter und jubelten ihm zu. Ihr Jubel hallte durch das Tal und bis in den Himmel.




KAPITEL NEUN


Gwendolyn stand da und sah zu Thorgrin auf, der auf Mycoples Rücken saß. Ihr Herz machte vor Erleichterung, Freude und Stolz einen Sprung. Sie hatte sich den Weg durch die dichte Menge von Kriegern zurück an die Front gebahnt und stand nun vor Thor. Tränen der Freude rollten über ihre Wangen als sie sich umsah und die Armee des Empire besiegt sah. Thor, ihre große Liebe, war am Leben und in Sicherheit. All die Dunkelheit und Trauer der vergangenen Monate fiel von ihr ab und sie war überzeugt, dass der Ring nun endlich wieder sicher war. Freude und Dankbarkeit wallten in ihr auf als Thor sie in der Menge entdeckte und sie mit leuchtenden Augen liebevoll ansah.

Gwen wollte gerade zu ihm gehen, als ein Schrei sie herumfahren lieГџ.

„BRONSON!“, kam der Schrei wieder.

Gwen und die anderen sahen sich um und sie erschrak als sie einen Mann unter der Asche auf Seiten des Empire hervorkommen sah. Er schob die verkohlten Leichen von sich, klopfte sich die Asche ab und stand auf.

McCloud.

Gwen lief es kalt über den Rücken. Irgendwie hatte McCloud überlebt, feige wie er war, hatte er die Flammen überlebt, indem er sich unter den Toten versteckt hatte. Er sah furchteinflößend aus – sein Gesicht war entstellt von Andronicus� Brandmal, ein Auge fehlte, er hatte überall Verbrennungen und seine Kleider schwelten noch. Doch er lebte, hielt ein Schwert in der Hand und starrte wutentbrannt seinen Sohn Bronson an.

Gwen war angewidert. Da stand dieser Mann, den sie mit jeder Faser ihres Körpers hasste, der Mann der sie jede Nacht in ihren Alpträumen heimsuchte, der Mann, der sie auf so widerwärtige Weise angegriffen hatte. Jeden Tag und jede Nacht hatte sie sich seitdem gewünscht, ihn tot zu sehen.

Doch da stand er, in voller Größe, ein zum Leben erwachter Alptraum, der einzige Überlebende der feindlichen Armee.

„BRONSON!“, schrie er wieder und trat auf die Lichtung.

Bronson folgte seinem Ruf. Er trat aus der Menge der MacGil Krieger hervor, hielt sein Schwert in der Hand und war bereit, sich seinem Vater in einem letzten Kampf zu stellen.

Mycoples knurrte, legte den Kopf in den Nacken und wollte McCloud mit einer Wand aus Feuer begrГјГџen.

Doch Thor legte eine Hand auf ihren Hals und bedeutete ihr damit, zu warten. Er stieg ab, griff nach seinem Schwert und ging auf McCloud zu.

Bronson trat an Thors Seite und sah ihn an.

„Das ist mein Kampf“, sagte Bronson.

„Er hat meine Gemahlin angegriffen“, sagte Thor. „Ich will Rache“

„Doch er ist mein Vater“, gab Bronson zurück. „Du kannst sicher verstehen, wie sehr ich mich nach Rache sehne.“

Thor sah ihn lange an, dann nickte er schlieГџlich und trat aus dem Weg.

„Na los ihr zwei! Greift mich nur an!“, schrie er heiser. „Ich kann es leicht mit euch beiden aufnehmen!“

Bronson sah ihn an und stГјrzte sich mit einem lauten Schrei auf ihn. Er riss sein Schwert hoch als der alte McCloud auf ihn zu gerannt kam.

Vater und Sohn trafen sich mitten auf der Lichtung, und Bronson lieГџ sein Schwert mit aller Kraft heruntersausen. McCloud riss seines hoch und wehrte den Schlag klirrend ab. Funken flogen und der Kampf hatte begonnen.

Bronson schwang sein Schwert voller Wut und hieb immer wieder auf seinen Vater ein. McCloud gelang es zwar jeden Schlag abzuwehren und selbst einige Male zu parieren, doch er wurde dennoch immer wieder zurückgetrieben. Die beiden Männer trieben einander über die Lichtung und Funken flogen in alle Richtungen. Keinem gelang es, die Überhand zu gewinnen und sie kämpften verbissen. Der Hass war tief verwurzelt.

SchlieГџlich gewann Bronson mit einer schnellen Bewegung die Гњberhand Гјber seinen Vater, schlug ihm das Schwert aus der Hand und brach ihm die Nase mit dem Schwertknauf.

Blut rann aus seiner Nase und McCloud griff schreiend danach, als Bronson ihm einen Tritt versetzte und er zu Boden ging.

Bronson machte einen Schritt nach vorn, doch McCloud stellte ihm das Bein, Bronson stolperte und fiel auf die Knie. McCloud fuhr auf und versetzte Bronson einen Schlag mit seinem Handschuh, der diesen mit dem Gesicht voran zu Boden schickte.

McCloud wand das Schwert aus Bronsons Hand, hob es hoch und wollte es auf Bronsons ungeschГјtzten Nacken herabsausen lassen.

Gwendolyn schrie schockiert auf: „NEIN!“ Sie konnte es nicht ertragen wie Bronson, ein Mann den sie respektieren gelernt hatte und mochte, schutzlos dalag und von der Hand dieses Monsters sterben sollte.




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